Ist die Krise der Modellbahnbranche schon überwunden?

 

von Klaus Honold

 

Die Lust am Krieg ist nicht auszurotten. Die Spielwarenmesse war noch nicht drei Stunden alt, da sah man schon überall auf dem Gelände Männer Din-A-1-große Tüten mit martialischem Design schleppen; Aufschrift “4 M – Metal Military Mission by Märklin”. Das “M” für “Modelleisenbahnen” scheint dem Göppinger Unternehmen, seit einem Jahr in der Hand von Kingsbridge Capital, nicht mehr zu genügen.

 

Auch sonst wimmelt es auf der Messe von Panzern, Schlachtschiffen, Granatwerfern und Bomberflugzeugen in allen Maßstäben. Und wer das Töten historisch mag, kann den “Sonderzug der Reichsregierung” bestellen, hinter dem sich nichts anderes verbirgt als die Salonwagen von Hitler, Göring und Goebbels. Von solch exzentrischen Akzenten abgesehen, bietet die Messe in ihrer Mehrheit zivile Ware, zumal auf dem traditionsreichen Sektor der kleinen Eisenbahnen.

 

 

Erneut hat die Messeleitung alles auf den Kopf gestellt, alle Branchen neu auf die Hallen verteilt. Die Modellbahner müssen in Halle 4 nun mit weniger Platz als zuvor auskommen, was bereits eine Antwort auf die große Streitfrage der vergangenen Jahre ist: Soll sich Nürnberg fürs Publikum öffnen? Die jetzige Lösung führt jedenfalls schon beim normalen Andrang der Fachbesucher zu Gedrängel. Was sich am Montag und Dienstag noch verdichten wird, wenn die von Märklin eingeladenen “Märklin-Club”-Kunden kommen.

 

Das Thema ist nicht vom Tisch. Nürnberg ist die einzige klassische Ordermesse der Spielwarenbranche – weltweit. Bloß - das Ordergeschäft spielt fast keine Rolle mehr. Fachgeschäfte bestellen das ganze Jahr über – falls es sie noch gibt. Gerade auf dem Modellbahnsektor hat die Zahl der Läden drastisch abgenommen; aus manchen Regionen Deutschlands ist der Handel mittlerweile komplett verschwunden.

 

Das hat nicht nur mit dem schwindenden Geld in der Tasche des Verbrauchers zu tun. Über viele Jahre hinweg fuhren viele Hersteller eine eigensinnige Modellpolitik, versuchten, einander mit Doppelentwicklungen das Wasser abzugraben, füllten dem Handel mit Unverkäuflichem das Lager, Dazu kamen Versuche, Händler mit Ausschlußverträgen an Marken zu binden: Vertrittst du mich, darfst du die Ware der Firma Y nicht anbieten. Auch Shop-in-Shop-Lösungen waren teure Irrtümer. Der irritierte Kunde wandte sich am Ende dem Internet zu.

 

Inzwischen müssen die Hersteller zudem auf einer Vielzahl von Verbrauchermessen anwesend sein – von Köln/München zum Jahresende bis zu Sinsheim gleich nach der Nürnberger Neuheitenschau. Überall dort kann der Verbraucher mitreden – und gleich kaufen. Was ist also Nürnberg – außer Tradition?

 

 

“Ein Nullsummenspiel”, sagt Maya Cipusev, die den kleinen Schweizer Modellstraßenbahnproduzenten Navemo vertritt. Der Stand ist eine Oase, Zürcher Trams im Maßstab 1:87 ziehen durch eine fiktive City ihre Kreise. “Wenn wir so viele Aufträge erhalten, wie wir Miete zahlen – gut”, bilanziert Cipusev. “In Nürnberg geht es ums Sehen und Gesehenwerden. Wer hier ausstellt, zeigt, ,mich gibt es noch‘. Das ist wichtig – im Augenblick. Jede Firma, die überlebt, hat gewonnen.”

 

Ähnlich sieht es Magister Christian Plohberger, Chef der aus dem Konkurs wiedererstandenen Firma Roco. “Wir hängen alle vom Endverbraucher ab. Er ist die Nummer eins. Von daher hätte ich nichts gegen eine Messe mit Publikum. Allerdings nicht unter diesen Bedingungen.” Deshalb werde es in Nürnberg auch weiter um “Kontakte und Information gehen. Immerhin haben wir hier internationale Interessenten; viele kommen von Übersee.”

 

Einst bot Roco Märklin Paroli, war der Marktführer bei Gleichstrom-Bahnen (Märklin hält die Spitze bei Wechselstrom). Roco gehört inzwischen dem Raiffeisenverband Salzburg. Immerhin: inländisches Kapital. Die Bank hat so viel Vertrauen ins Geschäft, daß sie jüngst neues Geld zugab. Roco setzte im vergangenen Jahr 31 Millionen Euro um; die durch die Pleite abgelöste Firmenleitung hatte noch auf 50 Millionen spekuliert. “Wir haben ein Etappenziel geschafft”, sagt Plohberger und läßt durchblicken, daß dies nur geht, wenn die Ziele niedriger gehängt werden. “2007 peilen wir 33 Millionen an.” Entsprechend ist der Neuheitenkatalog nur noch ein Drittel so dick wie früher.

 

Auch Märklin zügelt ein wenig das Tempo. Die Ankündigungen haben den Anschein von Augenmaß. Teure Lokomotiv-Exoten findet man nicht mehr, ebenso wenig wie extravagante Maschinen-Dinosaurier aus USA. Das spiegelt die Modellpolitik, die Interimsmanager Ulrich Wlecke eingeleitet hatte. Am Donnerstag, dem ersten Tag der Messe, räumte er seinen Chefsessel für Ulrich Dietz.

 

Märklin meldet nach einigen Jahren steten Umsatzrückganges wieder ein leichtes Aufwärts: Im vergangenen Jahr habe man mit 124 Millionen Euro 4 Prozent mehr eingenommen. Damit auch der Ertrag stimmt, wurde die Produktion getrimmt: Werk Sonneberg geschlossen, Standorte Göppingen und Nürnberg optimiert. Das kostete 310 Arbeitsplätze.

 

Ob die Modellbahnbranche aus der größten Krise ihrer Geschichte schon heraus ist, wird sich erweisen. Über die nächsten Unternehmenskollapse wurde in Nürnberg jedenfalls schon spekuliert. Währenddessen lieferten sich englische und japanische Messebesucher vor den Hallen eine Schneeballschlacht – ein ganz friedliches Spiel.

 

 

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kh 2.Februar 2007

 

© reflektion.info    alle Fotos: Spielwarenmesse Nürnber
Download nur zum nicht-kommerziellen Gebrauch

 

 

 

 

 

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