Brawas S 2/6 als Schnellzuglok der Pfalz

 

von  Klaus Honold

 

 

Der Viktualienmarkt in München ist urbayrisch. Aber der Wurstmarkt in Bad Dürkheim? Nun, südlich des Weißwurstäquators wissen es nur noch wenige, nördlich davon noch weniger, daß die Pfalz, das Land zwischen Eifel und Saar, mehr als ein Jahrhundert lang bayrische Provinz gewesen ist: von 1816 bis 1945. Und sie hätte es wieder werden können – doch ein entsprechender Volksentscheid scheiterte 1956.
Die Pfalz, das ist ein seltsames, eigenwilliges Land. Es liegt jenseits des Rheins – und war vielen Deutschen schon deshalb seit je nicht geheuer. Es genoß länger als jeder andere Fleck Deutschlands die bürgerlichen Rechte, die ihm Napoleon brachte – auch die Wittelsbacher Regenten mußten diese garantieren. So blieb die Grundherrschaft aufgehoben. König Ludwig I., selbst Pfälzer, sympathisierte mit seiner Heimat – und blieb zugleich stets argwöhnisch. Zu Recht.
Übrigens gehörte ein wesentlicher Teil der Pfalz, der nördliche, von 1806 bis 1945 als Provinz Rheinhessen zum Großherzogtum Darmstadt. Daraus ergeben sich noch heute wunderliche, in Norddeutschland gewiß kaum begreifbare Streitigkeiten. Doch das ist eine andere Geschichte .

 

Viele Möglichkeiten gibt es nicht, den Rhein zu überqueren. Doch egal, ob man die Fähre bei Oppenheim oder die Brücke bei Worms benutzt – am anderen Ufer beginnt eine andere Welt. Das Benzin ist billiger, die Traktoren sind älter, die Häuser sind weniger blitzblank renoviert. Hier gibt es noch Dörfer ohne Bürgersteige und Bankautomat! Dafür wachsen dort Deutschlands beste Weine – Riesling, Weißburgunder und Silvaner haben nach langen Jahren des Kampfes um Qualität inzwischen ein Format, das weder in- noch ausländische Vergleiche scheuen muß. Und das Beste: Es hat sich noch nicht herumgesprochen!
Hinterwäldlerisch, so wie es manchem scheinen mochte – und wie es unser Ex-Kanzler Helmut Kohl vermittelte –, war die Pfalz also nie. Früher als andernorts fuhr dort die Eisenbahn, und das in schwierigem Terrain. Geographisch wie politisch. Im Norden und Süden begrenzte preußisches Territorium die pfälzische Verkehrsentwicklung, im Osten, jenseits des Rheins, hatte man es mit Hessen und Baden zu tun, die beim Verkehr Richtung Schweiz die besseren Karten hatten. Nach Westen aber, Richtung Frankreich, war man durch den finsteren Pfälzer Wald abgeschottet. Und wer wollte damals nach Frankreich?

 

Dennoch: Die Pfalz war bei den ersten. Schon im Juni 1847 rollten die Züge der pfälzischen Ludwigsbahn zwischen Ludwigshafen und Neustadt sowie Speyer und Schifferstadt. Nur zwölf Jahre nach dem ADLER! Bayern setzte lange auf Privatbahnen. In der Pfalz dauerte diese Epoche noch länger. Erst 1909 wurde das inzwischen engmaschige Netz – die Pfalz war die dichtestbevölkerte Provinz des Königreichs – verstaatlicht.

 

Damit fand der durchaus bemerkenswerte pfälzische Lokomotivbau ein Ende; ebenso wie es kurz zuvor bei der Hessischen Ludwigsbahn geschehen war, als diese der Preußisch-Hessischen Staatsbahn einverleibt worden war. Leider sind all diese abenteuerlichen, von Mut und Erfindungsgeist geprägten frühen Zeiten der deutschen Industrie- und Eisenbahngeschichte so gut wie gänzlich vergessen; auch Bücher gibt es darüber kaum. Der Pfalz bescherte diese Entwicklung andererseits den Austausch mit bayrischen Lokomotiven. Und – immerhin – die Direktion in München war so klug, die Qualität pfälzischer Konstruktionen anzuerkennen. Einige Baureihen wurden nachgebaut und liefen – wie die Tenderloks der BR 77 – bis in die Bundesbahnzeit.

 

Die bayrische Eisenbahn-Epoche währte in der Pfalz freilich nur elf Jahre: von 1909 bis zur Gründung der Deutschen Reichsbahn 1920. Zumindest nominell, denn auch danach führten die bayrischen Direktionen ein gewisses Eigenleben. In dieser Zeit gab es auf pfälzischen Gleisen zwei Besonderheiten:
Zum einen wurde beim Bau derlegendären S 3/6 ein Los von zehn Maschinen für die Pfalz abgezweigt (Reichsbahnnummern 18 425 bis 18 434). Und zum anderen fuhr das Einzelstück S 2/6 vor pfälzischen Schnellzügen zwischen Ludwigshafen und Straßburg.

 

Tenderansicht der S 2/6 im Verkehrsmuseum Nürnberg

 

Die S 2/6. Entworfen von Anton Hammel, dem Chefkonstrukteur der Münchner Lokomotivfabrik Maffei. 1906 mit der bayrischen Betriebsnummer 3201 in Dienst gestellt. Mit ihren 2,2 Meter hohen Treibrädern, ihrem Vierzylinder-Verbundtriebwerk, ihren 2200 PS, dem hohen Umlauf über dem filigranen Barrenrahmen erschien sie bereits den Zeitgenossen wie ein Wunder. Am 2. Juli 1907 fuhr sie mit 154,5 Stundenkilometer Weltrekord, eine Geschwindigkeit, die erst – 29 Jahre später – von der Stromlinienlok 05 002 überboten wurde. Unabhängig von dieser Leistung gilt die S 2/6 mit ihrer elegant-harmonischen Silhouette als eine der schönsten Dampflokomotiven, die je gebaut wurden.

 

 

Und nun hat sie Brawa gebaut. Vor zwei Jahren schon – in H0. Gleich drei Ausführungen erschienen: in Grau als Weltrekordlok von 1907, in Grün als Ausstellungsstück des Verkehrsmuseums Nürnberg seit 1925 sowie in Schwarz als Lokomotive der Deutschen Reichsbahn – so, wie die S 2/6 ausgesehen hätte, wäre sie 1925 noch in Betrieb gewesen. Diese – hypothetische – Ausführung ist, Brawa zufolge, die bestverkaufte gewesen. Kein Zweifel, daß der S 2/6 daß klassische Schwarz-Rot sehr gut stand. Gleichwohl: Keine dieser drei Ausführungen zeigte die S 2/6 im Betriebszustand. Zumal auch die graue Ausführung das Weltrekordlivrée nicht richtig wiedergab: Die seinerzeit aufsehenerregenden Glanzbleche wurden nicht nachgebildet.

 

Seit zwei Wochen jedoch kann die S 2/6 auf H0-Gleisen so eingesetzt werden, wie sie in der Wirklichkeit immerhin über zwölf Jahre lang gelaufen ist – von 1910 bis 1922. In München hatte der Renner sich nach seiner Rekordfahrt schwer getan. Vor den mittlerweile langen D-Zügen auf den Strecken nach Salzburg, Nürnberg und Regensburg konnte er mit den tauglicheren S 3/5 nicht mithalten. In der Pfalz dagegen war die Lok bei leichteren und langsameren Zügen ohne Konkurrenz. Die Personale schätzten die Maschine und gaben ihr den Kosenamen Zeppelin.

 

Wie die Lokomotiven der Pfalz wirklich ausgesehen haben, ist nirgendwo überliefert. Sie waren bis zur Reichsbahnzeit braun-violett lackiert (im Gegensatz zum bayrischen Grün), doch was heißt das? Noch bei der Vorstellung des Messemusters war eine kitschige Entgleisung zu befürchten gewesen. Die jetzt ausgelieferte Brawa-Lokomotive jedoch wirkt äußerst authentisch, soweit sich das sagen läßt – vergleicht man sie mit anderen braunen Lokomotiven, den bayrischen E-Loks zum Beispiel oder auch jenen ausländischer Gesellschaften in Frankreich und England. Das Violett ist Inspiration, das Braun Realität; Brawa ist es zugute zu halten, daß dabei kein Schokoladeton herauskam – auch nicht Milka ...

 

Rauchkammer mit Spitzenlicht der grünen S 2/6

 

Was Historiker sagen, ist das eine. Das andere ist, daß diese Farbgebung homogener wirkt als jede andere. Als sei die S 2/6 “dafür gemacht”. Die Farbe von Kessel, Führerhaus und Tendergehäuse steht in geradezu freundschaftlichem Kontrast zum Rot des Fahrwerks, und um so besser setzt sich das Schwarz vom Umlauf, Führerhausdach, Aschkasten, Pumpen und Tenderdecke ab. Ein Juwel dieser Art hat es in Großserie bisher nicht gegeben. Wenn dann erst die riesigen filigranen Treibräder zu wirbeln beginnen...

 

Wenn. Ja, wenn. An dieser Stelle muß abermals daran erinnert werden, daß Brawa-Dampflokomotiven im Grunde nicht für den harten Anlageneinsatz geeignet sind – was für die Baugröße IIm gilt, gilt auch für H0. Schnell machen Quietsch- und Kratzgeräusche klar, daß die Mechanik herstellerseits nur für die allerersten Betriebsstunden  geschmiert wurde. Da muß der Kunde schnell nachschmieren - ganz das Original.

 

Sorgfältige Nachbildung der Luftpumpe und Umgebung.
Besonders beachtenswert sind die feinen, doppelten Nietreihen.
Eine gewisse Verliebtheit in das Original läßt der Konstrukteur somit durchblicken.

 

Um die Lok zu öffnen, ist, wie stets bei Brawa, genau zu überlegen, welche Schrauben gelösten werden - und welche nicht. Ohne diese Gedanken wird man sich wundern, daß die Lok, wieder zusammengebaut und aufs Gleis gesetzt, nicht mehr fährt. Warum? Weil der Metallkessel magnetisiert und ungesehen Kurzschluß schaffende Schräubchen schnappt – die muß man dann ganz vorsichtig mit der Pinzette zwischen den Speichen herausangeln. Bis dahin ist hoffentlich von den Details der Lok nicht allzuviel abgebrochen. Mit etwas Fett und Öl geht es endlich – butterweich und leise – auf die Strecke.

 

Brawa-Loks gehören in die Vitrine. Auch wenn die S 2/6 noch nicht so anfällig ist wie die jüngst ausgelieferte bayrische G 4/5 H in H0, sollte man bei der pfälzischen Schönheit Vorsicht walten lassen. Und wieder ganz das Original! Am besten, man stellt die S 2/6 vor sich hin auf den Tisch und genießt dazu ein Glas pfälzischen Riesling vom Weingut Meßmer in Burrweiler. Es dürfen auch zwei Glas sein.

 

 

 

 

 

Werbung

Flexgleise.de ... unglaublich preiswert

 

 

kh 16. April 2007

 

alle Fotos: © reflektion.info / © Brawa 
Download nur zum nicht-kommerziellen Gebrauch

 

 

 

 

Werbung

120x600

 

 

Werbung

120x600 Content Ad

 

 

Werbung

BASE

 

 

 

 

Werbung

Schaufenster der Woche !hier klicken!

 

 

Werbung

Tipp24.de Clever gemacht !

 

 

 

Werbung

 

 

 

 

bitte einen Moment Geduld bis sich Ihr Emailkonto öffnet