Liliputs Rangierlok  bad. Xb  als Bundesbahnmaschine

 

von  Klaus Honold

 

Eine überzeugende Erscheinung mit niedrigen Spurkränzen, die auch auf Code 70-Gleisen die Kleineisen  leben lassen   

 

Dampflokomotiven mit vier gekuppelten Achsen waren auf deutschen Gleisen zwar keine Rarität, zur vorherrschenden Bauform wurde diese Achsfolge aber nie. Und die Typen, die sie aufwiesen, genossen auch nie wirklich Popularität – sieht man mal vom „Sachsenstolz“ ab, der sächsischen XX HV (Baureihe 19.0), von der 23 Stück gebaut wurden. Desweiteren gab es die Personenzuglok P 10 (Baureihe 39), die schnelle Güterzuglok Baureihe 41 (die mit Ölfeuerung 1977 noch das Ende der Dampflokära erlebte) – und vor allem das fleißige Lieschen der preußischen T 14/14.1 (Baureihe 93), die – zu Hunderten gebaut – überall in Deutschland bis in die sechziger Jahre Personen- und Güterzüge schleppte - bullig, kräftig, urig, wenn auch nicht geliebt.

 

Und dann waren da noch die laufachslosen Maschinen für Lokalverkehr und Rangierbetrieb. Zu erinnern ist an die Serie unverwüstlicher Privatbahnloks, die unter dem Kürzel ELNA bekannt wurden (noch heute bei Museumsbahnen unter Dampf), an die nicht weniger zähen Loks der bayrischen Sekundärbahnen (GtL 4/4, Baureihe 98.8) – und eben, im Schatten aller anderen, an die Rangierloks. Erstaunlicherweise hat noch in der Länderbahnzeit fast jede Verwaltung eine vierachsige Type entwickeln lassen: Württemberg die T 6 (zuvor hatte es schon die T 4 als Güterzug-Tenderlok speziell für die Geislinger Steige gegeben), Bayern die R 4/4 (auch für die Pfalz), Preußen und Oldenburg die T 13 und schließlich Baden die Xb – die es seit einigen Tagen nun als H0-Modell in Bundesbahnausführung von Liliput gibt.

Leider haben die Chinesen beim Einpacken das Abdampfrohr am Schlot verbogen. Wir haben die Lok leihweise zum Fotografieren erhalten und das Rohr lieber nicht wieder gerade gebogen.

In der Seitenansicht sind die einzeln angesetzten, zahlreichen und  filigranen Leitungen und Griffstangen sehr gut zu erkennen

 

Auch auf Modellbahngleisen spielten Lokomotiven mit vier gekuppelten Achsen keine Hauptrolle – schon gar nicht Rangierloks. Oder? Nun, andererseits dürfte die kleine dreichachsige 89 von Märklin die meistgebaute H0-Lok überhaupt sein, und die Einsteigerlok schlechthin, und ungefähr seit Menschengedenken gibt es auch deren um eine Achse verlängerte und schwerere Schwester, die Einheitslok der Baureihe 81, die mit ihrer Telex-Kupplung auf Märklin-Anlagen Freude auslöste. Beim Vorbild waren beide Typen Sonderlinge, von der einen waren nur sechs, von der anderen gerade zehn Stück gebaut worden.

 

Die am weitesten verbreitete Vierachser-Rangierlok, die preußische T 13 (Vorbild: rund sechshundert Maschinen), wurde viele Jahre von Trix angeboten. Ein maßstäbliches Modell in der Ausführung unterschiedlicher Bahnverwaltungen erschien vor einiger Zeit bei Klein-Modellbahn. Die württembergischen Loks wurden noch nie nachgebildet; die bayrische R 4/4 wird als hochdetaillierter Bausatz von Weinert offeriert.

 

Somit kommt Liliputs Neuheit hohe Aufmerksamkeit zu. Und die hat das Modell auch verdient. Im vergangenen Jahr wurde zunächst die Reichsbahnausführung vorgestellt. Von 1907 bis 1921 waren von den Badischen Eisenbahnen 96 Stück in Dienst gestellt worden. Die Reichsbahn übernahm 90 Exemplare, von denen wiederum 80 zur Bundesbahn kamen. Sie rangierten wie eh und je im Südwesten des Landes, zwischen Karlsruhe und Konstanz. Die letzten waren in Villingen sowie in Radolfzell stationiert.

 Ein frei stehendes Spitzenlicht ist sicherlich schöner, aber der Beleuchtung wird Tribut gezollt.

Zum Lieferumfang gehört auch etwas echte Kohle - und die sollte auch in den Kohlekasten gekippt werden.

 

Liliputs 92 231 ist dem Bw Villingen zugeordnet, einem Eisenbahnknotenpunkt am südlichen Ende der Schwarzwaldbahn. Mit dem Revisionsdatum 5. August 1963 zeigt sich die Maschine im letzten Betriebszustand. Ein Bild, dem man sich gerne widmet. Der Detaillierungsgrad von Fahrwerk und Aufbauten ist dem der Konkurrenzmodelle deutlich überlegen. Dies gilt für die Leitungen am Kessel ebenso wie für das Abdampfdrohr der Lichtmaschine und das Gestänge auf dem Dach. Anders als etwa bei Brawa verliert die Lok dafür unterwegs nicht ihre Kleinteile. Der
Führerhausdurchblick ist bemerkenswerterweise frei, und da die seitlichen Öffnungen vorbildgerecht groß sind, sollten hier Lokführer und Heizer eingeklebt werden.

 

Sogar die Gelenke in den Umlenkhebel sind nachgebildet. Etwas Vorsicht verlangt die lose eingesteckte Hebelage der Umsteuerung am Wasserkasten.

 

Nur Bremsschläuche und Kupplungsimitate sind bei Bedarf zuzurüsten. Alles andere ist werkseitig bereits montiert. Wie wohltuend!

 

Zur Demontage des Führerhauses können die Dachstangen problemlos ausgeklipst werden. Die Bedienungsanleitung beschreibt diese Arbeiten sehr genau und übersichtlich.

 

Die Beschriftung ist gut, wenn auch nicht gestochen scharf. Die Loknummer wurde glänzend unterlegt, was ein Nummernschild suggeriert, in diesem Fall jedoch überflüßig ist. Die Pufferbohlen können mit Zughaken und Bremsschläuchen bestückt werden. Im Grunde ist nur ein Minuspunkt zu verteilen: die obere Laterne des Dreilicht-Spitzensignals steht nicht frei, sondern erscheint als eine Art Warze der Rauchkammertür – eine Sitte, die lange Zeit viele schöne Fleischmannmodelle verdorben hatte.

 

Das Führerhaus ist völlig frei. Der Stehkessel ist ausreichend nachgebildet. Der Digitaldecoder verschwindet nach dem Einbau hinter den Türen.

 

Die Fahreigenschaften des Analogmodells sind gut und den Aufgaben angemessen. Die Lok läßt sich feinfühlig regeln, fährt sanft an und hat einen – kurzen – Auslauf. Auf der vierten Kuppelachse sitzt ein einzelner Haftreifen (links); Taumelbewegungen gab es deswegen nicht. Zusammen mit einem Gewicht von 180 Gramm werden alle Traktionsanforderungen bewältigt. Dabei entwickelt das Getriebe nur ein mäßiges Geräusch.

 

Das Schneckengetriebe wirkt auf die 4. Achse. Die anderen Achsen werden über die Stangen angetrieben.

 

Gerade für Modellbahner der Epoche III ist die Kleine aus Baden eine mehr als willkommene Bereicherung und mit dem Verbindungsrohr zwischen den Dampfdomen sowie dem im Rahmen gelagerten Wasserkasten ein uriger Hingucker.

 

 

kh  7. August 2007

 

alle Fotos, wenn nicht anders gekennzeichnet:  © reflektion.info /  Cornils Rathjens
Download nur zum nicht-kommerziellen Gebrauch

 

 

 

 

 

 

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