Märklin und Trix stellen lang erwartete Modelle
auf die Gleise:
Die Re 4/4 I, die Re 4/4 II und die Schweizer Leichtstahlwagen

 

 

 

von  Klaus Honold

 

 

 

Mit der soeben ausgelieferten Trix-Lok 22330 gibt es erstmals in der Baugröße H0 eine Nachbildung der klassischen Re 4/4 I. Anlaß genug, die Schweiz-Offensive des Göppinger Konzerns vorzustellen – und an andere Schweizmodelle zu erinnern.

 

 

 

 

Die Schweiz-Offensive: So könnte man den Neuheitenschub von Märklin/Trix nennen, der zum Jahresbeginn den Handel erreicht hat. Falls er ihn erreicht hat. Denn der generellen Beliebtheit des Bahnlands Helvetien steht eine gewisse Reserviertheit des deutschen Fachhandels gegenüber. Fragt man nach den lang angekündigten Neuheiten, heißt es in den Geschäften: “Die haben wir nicht bestellt.” Wieder einmal also muß der Kunde auf eigenes Risiko ordern, was ihm in den Fachpublikationen schmackhaft gemacht wird. Wie mag sich ein deutscher Modellbahner fühlen, wenn er in der Schweizer LOKI liest, daß die Eidgenossen sich über das Märklin-Modell der Re 4/4 I unterm Weihnachtsbaum freuen konnten, während es in Deutschland erst nach dem Fest ausgeliefert wurde – und dann der Gang in viele Fachgeschäfte auch noch vergebens ist ?

 

 

 

Das war einmal anders – in jenen frühen Zeiten, als Märklin fast ein Synonym für Modellbahn war und die Kataloge deutsche Kunden mit vielen außerdeutschen Modellen lockten. Da schnupperte man also und staunte, gewann erstmals, am Beispiel der Eisenbahn, einen Begriff von Internationalität: Die hellbraune Ellok aus Italien, die aussah wie ein mehrfach gefalteter Schlafzimmerschrank, die rotbraune Kommode aus Schweden mit ihrem Stangenantrieb, die irgendwie langweilige Ellok aus Österreich, die sich von deutschen Vorbildern kaum unterschied – und dann, ja dann gab es noch das “Krokodil”, von dem jeder wußte, daß es viel zu teuer war, als daß man es je würde auf einen Wunschzettel schreiben dürfen. Gerade die Geschichte des “Krokodils” und seiner Nachbildung in so vielen Maßstäben und für so viele Spurweiten von Beginn des Modellbahnzeitalters an zeigt, daß auch in Deutschland Schweizer Modelle immer gefragt waren.

 

 

 

So klein die Schweiz als Flächenland sein mag, so aufregend und großartig ist ihre Verkehrsgeschichte. Das “Krokodil” war immer schon da, übrigens schon vor dem Krieg in allen gebräuchlichen Spurweiten. Die Modernität der durch keine Kriegshindernisse gebremsten Ingenieurleistung der schweizerischen Bahnindustrie beeindruckte die deutschen Modellbahnhersteller fast zeitgleich. Dies betraf besonders die Re 4/4 I, die erste wirklich taugliche laufachslose elektrische Drehgestelllokomotive und die dazu gehörenden revolutionären Leichtstahlschnellzugwagen.

 

 

 

In der Baugröße H0 findet die Re 4/4 sich bereits kurz nach dem Krieg als Märklin-Modell in der Reihe RE 800/ RES 800/ RET 800 – noch heute ein auf Börsen gern gehandeltes Modell. Im Märklin-Katalog von 1963 trägt das Modell mittlerweile die Artikelnummer 3014 und kostet 45 Mark – das ist teuer; die Neuheit unter den Elektrolokomotiven, die schicke französische BB 9200 kostet nur 35 Mark. Das “Krokodil” freilich schlägt mit 78 Mark zu Buche. Fünf Jahre später ist die Re 4/4 I aus dem Katalog verschwunden, und die BB 9200 kostet nun 45 Mark, das “Krokodil” gar 102 Mark.

 

 

 

Die Leichtstahlwagen gab es bisher von Liliput - von Märklin und Fleischmann auch, allerdings in beiden Fällen jedoch nicht maßstäblich. Das Schweizer Vorbild verlor die deutsche Modellbahnindustrie nie ganz aus den Augen – viele Exoten wurden nachgebildet, von dem Ungetüm Ae 8/14 über die im Maßstab 1:1 nie geglückten Ae 4/6 bis zum Seetalkrokodil; Schweizer Dampfloks nicht zu vergessen.

 

 

 

Nur die Butter-und-Brot-Loks der Ellokreihe Re 4/4, die blieben dann lang außen vor. Das Märklinmodell hatte seine Schuldigkeit getan, die Fleischmann-Re 4/4 II platzte im Maßstab 1:82 aus den Nähten, und auch die Klassiker von HAG mochten nicht so recht  überzeugen. Ähnlich, wenn auch aus anderem Grund, war es mit den Modellen des italienischen Herstellers Lima. Erst Roco brachte vor drei Jahren eine superbe Re 4/4 II – allerdings die der Vorserie. Dann, 2006, tat es einen Knall: die Schweiz-Offensive von Märklin-Trix.
Die kündigte sich an wie jene Explosionen, mit denen im Gebirge künstliche Lawinen ausgelöst werden. Die Neuheitenblätter versprachen viel; allein im Gleichstromlager wuchs die Unsicherheit, ob das lange Warten überhaupt noch belohnt würde – hatte doch Märklin unterdessen einen radikalen Kurswechsel für die Marke Trix angekündigt. In der letzten Woche des Jahres aber lieferte Trix die Packung 21333 aus: eine Re 4/4 II mit drei Leichtstahlwagen als SBB-Nahverkehrszug der Epoche IV; zwei Tage später folgte der Trix-Artikel 22330, die Ellok Re 4/4 I.

 

 

 

 

Ein glücklicher Jahresbeginn für Schweizfreunde? Das wird nun zu überprüfen sein. Denn im Gegensatz zum Wechselstrom-Monopolreich heißt es für Gleichstrommodelle: Sie stehen im weltweiten Wettbewerb. Und da haben sich Märklin-Ableger, die einfach unter dem Label Trix weiterverkauft wurden, stets schwer getan. Warum, das wird bei der Re 4/4 II und ihrem Anhang erneut deutlich. Die Lok ist schon länger aus dem Märklin-Programm bekannt. Gegenüber allen Mitkonkurrenten überzeugt sie zweifellos mit dem am besten detaillierten Gehäuse. Auch die Dachgestaltung bringt Punkte. Daß die Pantografen gegen schmalere schweiztypische ausgetauscht werden müssen, ist bei einem Modell aus dem Hause Märklin keine Überraschung.

 

 

 

Als perfekte Imitation des Vorbilds genießt die Märklin-Trix-Lok ein Alleinstellungsmerkmal. Bei den Fahreigenschaften jedoch muß sie sich mit der Konkurrenz von Roco und HAG messen. Und dieser Vergleich geht schlecht aus. Denn die Trix-Lok ist mit dem Märklin-Antik-Motor ausgerüstet, der nur auf zwei Achsen wirkt; die Verarbeitung erfreut vor allem Freunde des Denkmalschutzes. Obwohl die HAG-Lok technisch gleich aufgebaut ist, punktet sie doch mit einem wesentlich weicher und leiser regelbaren Antrieb. Der Roco-Mittelmotor mit Schwungmassen wiederum braucht ohnehin keine Mitbewerber zu fürchten und zieht mit beispielloser Geschmeidigkeit davon.

 

 

 

Das Trix-Modell leidet zudem darunter, daß ihm ein Digital-Decoder implantiert wurde, den der Gleichstrombahner nicht braucht. Er bezahlt ihn aber nicht nur mit, er muß im Analogbetrieb auch die dadurch bedingten schlechteren Laufeigenschaften in Kauf nehmen. Die Sturheit, mit der Märklin bislang die Zwangsdigitalisierung auch bei Gleichstrom-Modellbahnern durchsetzen will, irritiert also weiter. Es ist nicht einzusehen, warum die Verbraucher für etwas mehr Geld ausgeben sollen, das ihnen weniger an Fahrvergnügen einträgt. Dies wird noch einmal deutlicher bei der eigentlichen Schweizer Lokneuheit, der Re 4/4 I.

 

 

 

Märklin hatte diese Baureihe einst in der zweiten Bauform der 1950 und 1951 gelieferten SBB-Nummern 10027 bis 10050 angeboten. Das waren so niedliche Pummelchen, wie die Teddybären von Steiff-Knopf-im-Ohr. Heuer und erstmals auf dem deutschen Markt wird die erste Serie 10001 bis 10026, gebaut 1946 bis 1948, angeboten. Diese ältere Bauform sieht gleichwohl alles andere als alt aus. Man muß sich den Blick aus einem Deutschland im Trümmerstaub dazudenken, der Handkarren und der Pappfenster, um zu begreifen, wie sensationell diese Lokomotive damals gewirkt haben muß.

 

 

 

Und heute noch wirkt. Selbst in dieser Variante für Pendelzüge mit einem durch (nie benutzte) Fronttüren markanten Gesicht kann die Re 4/4 I sich selbstbewußt neben jeder Neuauslieferung von Siemens oder Bombardier sehen lassen. Alles, worin sich Solidität und Eleganz vereinen, kurzum alle Ingredienzien des Schweizertums sind von Märklin/Trix ausgezeichnet nachgebildet worden. Was die Perfektion der Darstellung angeht, dürfte dieses Modell so schnell von keinem anderen übertroffen werden können. Die Konturen wurden tadellos eingefangen, die Fenster sind klar und bündig eingesetzt, die Drehgestelle weisen scharfe Gravuren auf, Nieten, Isolatoren, Düsenlüfter und das Kreuzgitter der Dachhaube: alles vom Feinsten. An den Pufferbohlen lassen sich Bremsschläuche nachrüsten, ohne daß die Betriebstüchtigkeit darunter leidet. Für den Auftritt zum Führerstand sollte der Modellbahner noch einen Klacks silberne Farbe übrig haben. Die Bedruckung könnte präziser nicht sein – wohl aber, bei der Eigentümerbeschriftung, aus erhabenen Lettern bestehen. Eine Petitesse im Hinblick auf das Wohlgefallen, das jedes Betrachten erneut beschert. Note eins.

 

 

 

Doch – leider – auch die Re 4/4 I ist mit einem Digitaldecoder ausgerüstet, der den mehrheitlich digital-resistenten Gleichstrombahnern gar nichts nutzt, sie nur mit einem Modell konfrontiert, das in der Situation des Anfahrens solang klagend wimmert und ruckelnd rollt, bis man den Trafo ordentlich aufdreht, und der Zug davonsaust. Daß er das dann fast geräuschlos tut, verdankt er dem C-Sinus-Motor.

 

 

 

Es bleibt jedoch dabei, daß man diesem Modell, seiner so schönen Erscheinung, mit Wehmut über die Anlage folgt. Welche Chance wurde da vertan! Wieviel Freude hätte die Re 4/4 I auslösen können, wäre sie mit der simpleren Technik eines einfachen Mittelmotors mit zwei Schwungmassen und sauberer Mechanik ausgerüstet worden! Sanft und leise anfahren, weich rangieren, elegant ausrollen, kurzum: Spielen können – Ist dieser Wunsch der Modellbahner denn so unbillig?

Märklin-Trix jedenfalls wehrt ihn ab mit nichts anderem als seiner Ideologie. Das Unternehmen baut schöne Fahrzeuge, keine Frage. Doch da, wo es sich der Konkurrenz stellen muß, bietet es weniger zu einem höheren Preis. Glaubt man in Göppingen immer noch, der Name und die Tradition würden schon genügend ziehen? Die Umsätze sprechen eine andere Sprache, und nicht ohne Grund kündigt der Vorstand soeben harte Maßnahmen an: der Produktionsstandort Sonneberg wird geschlossen, auch in Nürnberg und Göppingen gehen Arbeitsplätze verloren.

 

 

 

Trotz solcher Einschränkungen: Bei einem Preis von 250 Euro ist der Gegenwert der Re 4/4 I noch als gut zu bezeichnen. Anders steht es mit den Wagen, die im Gefolge der Schweiz-Offensive anrollen. Schweizer Züge zu bilden, das hat die Industrie den Modellbahnern noch nie leicht gemacht. Je mehr Varianten es gab, desto kürzer blieben Standard-Fahrzeuge im Programm. Die Märklin-Ankündigung der Leichtstahlwagen löste also naheliegende Vorfreude aus, handelt es sich doch neben den später gebauten Einheitswagen des Typs I um die wichtigste Personenwagenserie der Schweiz, aus der im Inlandsverkehr lange Schnellzüge, danach Nahverkehrsgarnituren gebildet wurden.

 

 

 

Trix entschied sich leider für die Epoche IV – bedauerlicherweise. Das bedeutet wie bei der Re 4/4 II graue Dächer, was vielleicht betriebsnah erscheinen mag, aber doch irgendwie fettig-schmutzig ausschaut. Außerdem scheiden die neuen Wagen damit als Anhängsel der neuen Re 4/4 I (Epoche III) aus, was wenig Sinn ergibt. Märklin will seine Kunden eben erziehen, wozu auch immer.

 

 

 

Das alles wäre jedoch hinzunehmen, wären die Wagen selbst nicht Anlaß zu ziemlicher Verblüffung. Es hat Jahrzehnte steten Mahnens und Bittens der Modellbahnpresse und der Modellbahnlobby gekostet, bis die Industrie begriff, daß die Kunden eine gewiße Treue zum Vorbild erwarten, Sorgfalt bei der Umsetzung von Details, die für den Gesamteindruck eines Modells entscheidend sind. Lang zum Beispiel wurde um die Kurzkuppelbarkeit gekämpft, und nicht minder lang, daß Bremsbacken in der Radebene liegen und Griffstangen sich vom Gehäuse abheben.

 

 

 

Inzwischen ist das alles Standard. Unbegreiflicherweise fällt Märklin nun hinter diesen Standard zurück, läßt sich gewissermaßen freiwillig in die siebziger Jahre fallen. Die Bremsbacken winken wieder irgendwo draußen von den Drehgestellen, und die Griffstangen stehen als stämmige Stäbe von den Wagenkästen ab. Solcherlei mag noch bei Einsteigermodellen akzeptabel sein, nachwachsender Modellbahnjugend zugedacht – bei Discountpreisen. Allein Märklin-Trix verlangt für die Wagen um die 45 Euro – gut 90 Euro. Da bleibt nur Kopfschütteln. Der Konzern Märklin hat hier eine Gelegenheit vertan, die Sympathie der seiner Tochter Trix treuen Kunden zu belohnen.

 

 

 

Kurzum: Die Schweiz-Offensive hinterläßt gemischte Gefühle. Unterm Strich bleibt, daß mit der Re 4/4 I eine beeindruckend schöne Lokomotive gelungen ist. Das ermuntert die Modellbahner dazu, mit Vorfreude darauf zu warten, was ihnen der von Märklin für Trix versprochene Systemwechsel bringen wird: Künftig soll es marktgerechte Modelle geben, maßstäblich korrekt – und ohne Zwangsdecoder.

 

 

 

 

 

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kh 22. Januar 2007

 

 

 

© reflektion.info - © Fotos: Trix
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