Märklin setzt Trix auf ein neues Gleis
– VT 08 ausgeliefert – Neuheiten für 2007

 

von  Klaus Honold

 

 

 

Auf der Kölner Modellbahnmesse, dem größten für Publikum offenen Treffen der Branche, schlug die Nachricht kürzlich ein wie eine Bombe:
Märklin läßt Trix bei der Produktentwicklung von der Leine.
1997 hatte der Marktführer das Traditionsunternehmen aus Nürnberg übernommen. Beide bedienen vorrangig die beliebte Baugröße H0 – Märklin jedoch die Anhänger des Wechselstromsystems, Trix die Gleichstromer. Während Märklin beim Wechselstrom als Vollsortimenter weltweit allein dasteht, muß Trix sich die Kundschaft mit vielen anderen Herstellern teilen.

 

Der Ruhm, 1935 die erste H0-Bahn produziert zu haben und stets für Innovationen gut gewesen zu sein, half Trix bei der Übernahme wenig. Erst bediente sich Märklin für sein System aus dem Trix-Fundus, dann wurde die Tochtermarke nur noch dazu benutzt, Märklin-Lokomotiven mit Gleichstrommotoren zu verkaufen. Dabei ging Märklin recht lieblos vor: Unter den stabilen Metallgehäusen aus Göppingen tat oft Uralt-Technik knarzend und kreischend ihren Dienst. Besonders übel sind in dieser Hinsicht dem Modellbahner die Diesellok 288, der Triebwagen „Roter Pfeil“ und die Dampflok der Baureihe 10 in Erinnerung.
Damit konnte man die von Firmen wie Fleischmann und Roco verwöhnten Gleichstrom-Modellbahner nicht locken. Weil Trix „wie Blei“ (so die Händler) im Regal lag, wurde kaum noch geordert. Märklin versuchte es mit Tricks – vergeblich; Trix-Loks vermochten nur noch Sammler zu reizen. In der Vitrine sahen die hochwertigen Miniaturen immer gut aus.

 

 

 

 

Ankunft der Weltmeister: Märklins VT 08

Foto: Märklin

 

 

 

Nun also kommt die Wende
Trix kündigte in Köln „den Beginn einer Serie speziell für den Gleichstrommarkt entwickelten Modelle“ an. Ihre Merkmale:
Feinst detaillierte Kunststoffgehäuse statt kindergerechtem Metall, Motoren mit Schwungmasse, konsequente Nachbildung der Fahrzeuge im Maßstab 1:87. Das ist wie die Revolte der Tochter gegen die Mutter. Märklin selbst nämlich verkürzt nach wie vor seine Modelle, damit sie auch auf Spielzeuganlagen durch enge Kurven kommen, und statt auf erstklassige Mechanik setzt man in Göppingen auf Digital-Elektronik.

 

Die Märklin-Kundschaft fährt inzwischen fast zu hundert Prozent digitalisiert. Gleichstromer setzen mehr auf Vorbildtreue und ärgern sich, daß sie teure Dekoder mitbezahlen sollen, die sie gar nicht brauchen. „Die Gleichstrombahner haben ganz eigene Vorstellungen“, erklärte Märklin-Sprecher Roland Gaugele – fast ein Jahrzehnt nach der Übernahme der Gleichstrommarke Trix. „Wir wollen die Markenkontur stärken“, ergänzt Gaugele feierlich.
In Köln überrumpelte man Kunden und Konkurrenz mit der Präsentation gleich zweier neuer Fahrzeuge: der österreichischen Schnellfahr-E-Lok 1012 und des legendären schweizerisch-holländischen TEE-Triebzugs RAm, der hierzulande unter anderem als „Bavaria“ bekannt wurde und 1971 durch das Unglück bei Aitrang schaurige Berühmtheit erlangte. Der vierteilige Express, den es im exakten Maßstab 1:87 noch nie zu kaufen gab, soll im Herbst 2007 ausgeliefert werden – Fans dürften jetzt schon ungeduldig werden, zumal Trix einen Kampfpreis von 299 Euro nennt. Bei der bisher gültigen Märklin-Strategie hätte man glatt das Doppelte hinlegen müssen.

 

Ein Neustart, der sogleich Folgen hatte
Flugs kündigte auch Roco den TEE-Zug für 2007 an, mit denselben Qualitäten. Gaugele, der davon überrascht wurde: „Roco ist kein Angstgegner. Unsere Modelle werden sich unterscheiden, da bin ich sicher.“ Was aber hat die Wende ausgelöst? Märklins seit Jahren sinkende Umsatzzahlen (2003: 164 Millionen Euro, 2004: 148 Millionen, 2005: 123 Millionen), der Verkauf an Kingsbridge Capital im Mai 2006, der Geschäftsführerwechsel von Paul Adams zu Ulrich Wlecke Ende September? „Das mag sicher eine Rolle gespielt haben“, sagt Gaugele. Andererseits: Das in Köln gezeigte TEE-Muster sei „schon seit einem Jahr“ in Arbeit gewesen (Branchenkenner dagegen flüstern, es habe sich angeblich um das kurzerhand ausgeliehene Kleinserienmodell von Lemaco gehandelt.)
So könnte nun der Knaller der Neuheitenauslieferung vor Weihnachten die letzten Trix-Modelle mit Märklin-Standard bescheren. Gerade traf der VT 08 in den Geschäften ein, ein Diesel-Triebzug, mit dem die junge Bundesbahn in den fünfziger Jahren punktete. Die schöne Garnitur offenbart wieder alle Qualitäten der bisherigen Märklin-Trix-Konstruktionsprinzipien. Schwer liegen die Wagen in der Hand, in sattem Purpurrot lackiert und perfekt beschriftet. Die Fahreigenschaften sind ordentlich, wenn auch nicht begeisternd – und natürlich ist der Zug maßstäblich zu kurz; mit den Rädern schwenken sogar Teile des Chassis aus, damit der Zug, unnötigerweise, enge Achter fahren kann. Demselben Anspruch opferte man offenbar geschlossene Wagenübergänge, wie sie es noch beim Märklin-Trix-Modell des VT 11.5 gegeben hatte. Trotz allem: Dem Zug mit seinen beleuchteten Wagen schaut man auf der Anlage gern hinterher.

 

Extra geliefert wird ein Zwischenwagen, dessen Aufschrift daran erinnert, daß einst die deutsche Nationalmannschaft mit dem VT 08 von Bern nach Hause fuhr: „Weltmeister 1954“ steht auf der Banderole. Den Wagen können sich auch Fußballfans ins Regal stellen – zur Erinnerung ans Sommermärchen 2006. Wem das Herberger-Team allerdings nicht so am Herzen liegt, der wird bedauern, daß sich die Beschriftung nicht abnehmen lässt. Triebzug und Extrawagen werden für den sogenannten Trix-Profi-Klub geliefert, eine Einrichtung, die dazu dient, den Kundenkreis überschaubar zu halten. Oder? Vielleicht regiert hier auch das Prinzip, daß ein limitiertes Angebot, das die Nachfrage unterschreitet, die Preise heraufzusetzen erlaubt.
Wie das der Kunde findet? „Der Zug ist klasse, bis auf den Preis. Ich habe dafür 528 Euro hinlegen müssen. Das ist bestimmt mein erstes und auch letztes Insidermodell, denn wer kann das denn noch bezahlen?“ schreibt Modellbahner Heinz-Dieter Papenberg in einem Internetforum. „Ich wollte diesen Zug aber unbedingt haben, da ich als Kind selber damit gefahren bin und alte schöne Erinnerungen damit verbunden sind.“
Unterdessen hat Märklin, ebenfalls im Internet, einen Blick auf die Neuheiten des kommenden Jahres eröffnet. Das Thema TEE spielt auch bei der Konzernmutter eine Rolle – kein Wunder, der TEE wird 2007 fünfzig Jahre alt. Wer vermutet, Märklin würde den Trix-RAm in sein Programm übernehmen, irrt sich jedoch. Das bisher übliche „Hinüberreichen“ soll künftig ausgeschlossen bleiben, in beide Richtungen. Stattdessen wird der „Etoile du Nord“ avisiert, der im Vergleich mit den traditionellen rot-beigen TEE-Zügen eher als Exot daherkommt. Zu haben sind eine sechsachsige SNCF-Ellok 401000 und eine Garnitur Inox-Wagen. Die Lok gibt es auch als belgische Variante der Reihe 18 mit entsprechenden Wagen.

 

Zweifellos ein attraktives Angebot, gefertigt in bisheriger Märklinqualität. Zur Verblüffung des Publikums, das die neue Linie bei Trix ja gerade zur Kenntnis genommen hat, sollen diese Märklinmodelle jedoch auch für das Zweileiter-Gleichstromsystem gebracht werden – unter dem Namen Trix! Das verstehe, wer will. Schließlich findet sich auf der Homepage von Märklin auch die Ankündigung des nächsten Insider-Modells: die Dampflok 05 003.
Nun dürfen sich die Gleichstromer erneut ärgern – die bekommen sie nämlich nicht. Schade, denn eine adäquate, heutigen Fertigungsmöglichkeiten entsprechende Nullfünfer wäre schon lange fällig. Das Resümee der neuen Märklin-Trix-Tendenzen fällt also zwiespältig aus. Einerseits ist es zu begrüßen, daß Märklin mit der Marke Trix wieder zu den Qualitäten zurückkehrt, für die dieser Name einmal stand. Andererseits ist es schade, daß Märklin die Chance verspielt, die Vorzüge beider Marken zu vereinen. Was hätte denn dagegen gesprochen, Trix-Modelle zu konstruieren, die ein Metallgehäuse mit seiner besonderen Wertigkeit aufweisen, deren Technik aber mit solidem Mittelmotor und Schwungmasse ohne elektronischen Schnickschnack dem entspricht, was sich Gleichstromfahrer an Fahrkultur wünschen?

 

 

 

 

 

 

 

kh 19. Dezember 2006

 

 

 

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