Der große Pacific-Test
Trix: 01 –  Fleischmann: 18.6  –  Roco: 03.10  –  Gützold: 18.0  –
im Vergleich:
Wer ist der edelste Renner?

 

von  Klaus Honold

 

Pazifik: Der Ozean gab der Königin der Schnellzug-Dampflokomotiven ihren Namen: Genauer: “Pacific”: Denn nur in Amerika wurden die sich aus der Achsfolge ergebenden Lokomotivtypen mit geographischen Bezeichnungen versehen.

 

BR 012 100 in Rostock 

Foto: DB AG / Rethorn

 

Gemeint ist damit eine Schlepptenderlok mit einem zweiachsigen Laufdrehgestell, drei gekuppelten Treibachsen und einer nachfolgenden Laufachse. In Deutschland heißt diese Fahrgestellordnung seit je 2‘ C 1‘, auf dem restlichen Kontinent 2-3-1, im angelsächsischen Raum, wo man die Räder zählte, 4-6-2.

 

BR 01 118 in Bad Münster, 2002   

Foto: DB AG / Rethorn

 

 

In diesem Fall aber, und nur in diesem Fall, prägte auch in Europa der nordamerikanische Name den Nimbus – so sehr, daß der Schweizer Komponist Arthur Honegger (1892-1955) seine als Hommage des maschinentechnischen Zeitalters gedachte, 1923 geschriebene neusachliche Tonschöpfung “Pacific 231” nannte. Was für den Eisenbahnfreund nun packender zu hören ist – diese sinfonische Dichtung oder ein Mitschnitt etwa der 03 001 – muß jeder selbst entscheiden.

 

Schnellzuglok 03 1010 bei der Ausfahrt aus dem noch mit Formsignalen bestückten  Bahnhof Landau/Pfalz in Richtung Winden - Karlsruhe am 3.10.2005, anläßlich der Pfalz-Plandampfveranstaltung      

Foto: Rainer Last

 

In Deutschland erschien die Achsfolge 1907 mit der badischen IV f – beinahe wäre sie sogar die erste Pacific Europas geworden, doch dann wurde eine französische Lokomotive eher ausgeliefert. Es folgten Lokomotiven Württembergs (württ. C), Sachsens (XVIII H) und Bayerns (S 3/6), auch Baden legte noch mal nach (IV h). Doch erst mit der Einheitsbaureihe 01 der Deutschen Reichsbahn (ab 1925) wurde die Type richtig populär – naturgemäß dadurch, daß die noch junge Modellbahnindustrie sich ihrer annahm. Das hieß in erster Linie: Märklin. Die 01 gab es bald sowohl in der großen Spur 1 wie in der “kleinen” 0.

 

Die ehemalige DDR-Reichsbahn-Lok 01 519 bei einer Sonderfahrt der Ulmer Eisenbahnfreunde

Foto: Daniel Saarbourg

 

Nach dem Krieg war die 01 Ehrensache auch für den Maßstab 1:87. Nacheinander produzierten die Kultlok sowohl Märklin wie Trix und Fleischmann. Diese Modelle sind heute von Sammlern gesucht – Modellbahnern genügten sie jedoch vor Jahrzehnten schon nicht. “Endlich – eine 01”, so lautete der Jubelruf deshalb vor gut einem Vierteljahrhundert, als Roco ein maßstäbliches Modell herausbrachte. Es war damals auf der Höhe der Fertigungskunst und erschien später in vielen Varianten. Heute ist es nicht mehr zeitgemäß. Vor einigen Jahren versuchte Roco eine Korrektur, indem man die 01-Bundesbahnversion mit Neubaukessel nachbildete. Dafür waren komplett neue Formen notwendig – doch irgendwie geriet die Sache halbherzig und das Modell daneben. Schade.

 

Und so heißt es jetzt wieder: “Endlich – die 01!” Diesmal ist es wieder ein Modell von Märklin/Trix – es stellt die klassische 01 mit geschlossener Schürze und Witte-Windleitblechen dar, kurzum: so, wie wir alle die Null-Eins, nicht zuletzt von Bildbänden und Bundesbahnfilmen, in Erinnerung haben. Nun aber steht die 01 nicht allein – denn in den vergangenen Jahren wurden andere prominente Vertreter der “Pacifics” herausgebracht: die 18.0 von Gützold, die 18.6 von Fleischmann, die 03.10 von Roco. Mit ihnen wollen wir die neue 01 vergleichen – in Gleichstrom natürlich.

 

Da stehen sie nun, die vier Schönheiten. Glücklich, wer sich die schmucken Schwestern leisten kann. Denn um das Quartett zu erwerben, muß man immerhin – in “echtem Geld” – rund 2500 Mark bezahlen. Dafür sollte doch entsprechend viel Gegenwert geboten werden, oder? Doch – gemach. Wir werden sehen.

 

Sehen heißt, von oben blicken. Jedenfalls in diesem Maßstab. Wer weiß eigentlich, daß der normale Betrachtungsabstand auf H0-Modelle einer Entfernung von 40 bis 120 Meter entspricht? Um so wichtiger die äußere Anmutung, die Gesamterscheinung. Was die Silhouette betrifft, braucht keine der Loks Abzüge zu befürchten. Würde man sie im Gegenlicht auf Fotopapier bannen, sähen sie exakt so aus wie ihre Vorbilder. In der Aufsicht kommt die Trix-01 am besten weg. Warum wohl? Weil sie aus Metall ist. Und weil Metall immer noch am besten Metall darstellt. Alle anderen Modelle leiden unter ihrer Kunststoffoberfläche, die Fleischmann 18er noch am wenigsten.

 

Auch in der Detaillierung liegen die Konkurrentinnen nah beieinander. Leitungen und Griffstangen sind überall ansprechend filigran geformt. Bei Trix und Roco wurden auch die Ventilstellräder durchbrochen ausgebildet; Fleischmann verzichtet traditionell darauf. Ebenso wie auf Kolbenschutzstangen und Bremsschläuche. Da behilft man sich aus der Bastelkiste, und das tut man auch bei Trix. Die Zurüstteile, die dort beigelegt sind, sollte man durch Produkte anderer Hersteller ersetzen.

Schnellzug-Dampflokomotive BR 03.10 von Roco mit Altbaukessel und stahlblauer Farbgebung  für den F-Zug "Merkur"  Hamburg - Frankfurt/Main.                                     

 Foto: ROCO

 

In vielerlei Hinsicht möchte man die Trix-01 auf Platz eins der Wertung befördern, schon weil sie innerhalb des Märklin-Konzerns einen kaum zu erwartenden Qualitätssprung bedeutet. Vieles gibt es hier zum ersten Mal in der langen Geschichte des Unternehmens; es scheint, als hätten die Göppinger endlich erkannt, daß nicht nur Kinder zu ihren Kunden zählen, sondern auch ernsthaft dem Vorbild zugeneigte Modellbahner. Viele Details, die paßgenau eingesetzten Fenster, die Sandfallrohre, die bis zu den Radreifen reichen, die auch die Pufferbohle nicht aussparende Bedruckung verlangen nach Applaus.

Dampflok Baureihe 01 der DB, Epoche III                                                            

Foto: Trix

 

Den spenden wir gern: In dieser ist das Trix-Modell die beste 01, die es bisher in 1:87 gab. Und gibt. Aber Lokomotiven rollen nur, wenn sie Räder haben. Und unter dem Bauch von Trix sitzt Märklin. Auch hier: Das sind die besten Räder, die Märklin je hergestellt hat. Doch sie sind immer noch von knorriger Stabilität. Mit Farbe läßt sich nachhelfen. Zumindest bei den Treibachsen. Bei den Rädern des Vorlaufgestells dagegen ist Hopfen und Malz verloren. Sie sind nicht nur deutlich zu klein, sondern als visueller Topos ganz offensichtlich nostalgisch gedacht: eine Reminiszenz an die guten Fünfziger Jahre Märklins. Da hilft nur: anderweitig Ersatz bestellen.

 

Dies aber gilt auch für die Fleischmann-18er, deren Vorlauf-Räder ebenfalls Puppenstubengestalt aufweisen. Nur bei Gützold ist, um einen Werbespruch aufzugreifen, “in Bad und WC alles okay”. Oder? Ach, fast. Gützold prunkt mit dem feinsten Fahrgestell, und hat auch sonst in vielem die Nase vorn. Warum der Formenbauer jedoch nicht anders konnte, als auf dem Kesselscheitel allzu deutlich die Formtrennnaht zu belassen, bleibt ein häßliches Rätsel.

 

Dampflok BR 18.0 der DR, Epoche III                  

 Foto: Gützold

 

Ein Wort noch zu den Tendern. Märklin/Trix‘ Anhängsel 2‘2‘ T 34 ist eine Neuentwicklung – und er ist eine Wucht. Prägnant, detailliert, voluminös und mit gelenkigen Drehgestellen ausgestattet. Was wollte man mehr? Roco bietet die Stellmechanik für die Wassereinfüllklappen – leider sehr anfällig; man muß die Stangen stets nachjustieren. Trittleitern und Haltestangen wiederum sind der Schwachpunkt des schönen bayrischen Tenders 2‘ 2‘ T 31,7 von Fleischmann – die Treppen fliegen davon, die Stangen brechen ab. Gützolds Tender ist ohne Tadel und bringt das Wunder fertig, bewegliche Drehgestelle wenigstens zu imaginieren – Note 1.

 

Bislang waren das Wertungen lediglich für die Vitrine. Sprechen wir es doch ehrlich aus: Fahren bedeutet Spielen. Was ist am Spielen falsch? Das ist doch die Grundlage unseres Hobbys. Weil sich das jedoch keiner eingestehen will, glauben die Hersteller allzu oft, auf Spielqualitäten verzichten zu können. Wendet man das Kriterium auf die vier Pazifics an, ergibt sich folgende Reihenfolge: Erstens: Fleischmann 18.6; zweitens Gützold 18.0; drittens Roco 03.10; viertens Trix 01.Warum?
Das ist schnell erklärt. Fleischmann setzt traditionell auf einen alleinigen Tenderantrieb. Die Motorkraft wirkt auf die zwei äußeren, haftreifenbewehrten Achsen. Das ist die simpelste aller Antriebsmöglichkeiten – und es ist, man denke, die beste. Bei der denkbar geringsten Zahl an Zahnrädern bietet Fleischmann einen äußerst leisen wie zugkräftigen Antrieb, der zudem sehr geschmeidig reagiert. Note eins plus.

 

Schlepptenderlok Baureihe 18.6 mit Tender 2'2' T 27,4 (bay) der DB                

Foto: Fleischmann

 

Gützolds Lösung ist ähnlich, allerdings mit vier angetriebenen Tenderachsen: Ergebnis – der Auslauf ist kürzer, die Regelung weniger dynamisch, das Antriebsgeräusch lauter.

 

Mit Rocos 03.10 kann man eigentlich schön fahren, doch die Frage bleibt: wie lang? Das Antriebskonzept, das auf die Tenderachsen wirkt, über eine Kardanwelle jedoch auch noch die Treibachsen der Lok mitnimmt, ist überflüßig kompliziert, verschlingt dementsprechend viel Kraft und benötigt folglich sehr sorgfältige Wartung. Nichts für robusten Anlageneinsatz also. Schade.

 

Und Trix? Da kommt Traurigkeit auf. So nahe war der Märlinkonzern wieder mal einem Traummodell. Doch dann stolperte man erneut über die eigene ideologische Verblendung. Mit unbegreiflicher Sturheit heißt die: Der Märklin C-Sinus-Motor plus digitaler Steuerung muß durchgesetzt werden. Dies erhalten also auch die arglosen analogen Gleichstrom-Modellbahner. Für sie bedeutet dies zweierlei: a) die Lok ist wegen des Dekoders teurer als nötig, und b) sie fährt schlechter als vergleichbare Modelle. Warum Märklin seinen Gleichstromkunden diese Enttäuschung aufnötigt, bleibt unklar; selbst die Konzernsprecher haben dafür keine plausible Erklärung.

 

Im Fall der schönen 01 bedeutet dies: Anfahren läßt sich die Lok, mit einem Starttempo von etwa 20 Stundenkilometer, und auch das nur, nachdem sie vier Stunden eingefahren wurde. Rollen die Konkurrentinnen zum Teil bis über zwei Loklängen aus, kann man bei der 01 froh sein, wenn sie beim Stopp nicht entgleist. Gut trainiert, kommt sie aus der Höchstgeschwindigkeit immerhin erst nach zweieinhalb Zentimeter zum Stehen. Doch es gibt auch Grund zum Loben: Der Sinus-Motor und sein Getriebe arbeiten nahezu lautlos. Auch dies war bisher nicht immer so.

 

Wie also soll das Resümee ausfallen? Fleischmann bleibt innerhalb seiner Grenzen, wer die Marke kennt, weiß, welche Qualität ihn erwartet und rüstet den Rest entsprechend auf. Rocos 03.10 fiel in die schwierige Zeit zwischen Konkurs und Neuanfang; zu hoffen wäre, daß sich die Konstrukteure bald von den Fesseln der Vergangenheit befreien und zu einem Maß des Sinnvoll-Einfachen zurückfinden. Gützold ist, was das Ziel betrifft, kaum noch zu übertreffen, bedarf jedoch bei der Ausführung noch deutlich an Präzision. Bitte mehr Augenmerk bei der Qualitätskontrolle! Und Trix? O weh. Hier wünschten man sich, daß die Schleier fallen, daß Märklin endlich und konsequent sich die Eigengesetzlichkeiten des Gleichstrommarkts einzugestehen bereit ist. Man wird mit Trix keinen Gewinn einfahren, so lange man glaubt, die Kunden zu Märklintugenden erziehen zu müßen. Die Kunden erwarten freilich keine ideologischen Erziehungsmaßnahmen, sondern Modelle, die mit möglichst einfacher Mechanik bestmögliche Fahreigenschaften bieten. Um keines anderen Bedürfnisses willen, als einfach ein bißchen schön spielen zu können...

 

 

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kh 14. Februar 2007

 

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