2005 - 75 Jahre Glacier Express

 

 

 

Überquerung des Landwasser Viadukt
Überquerung des Landwasser Viadukt

 


Seit 1930 verkehrt der Glacier Express.
Seinen Status als Schnellzug verdankt er der Kombination verschiedener Regionalzüge. Dazu gehören die 1891 eröffnete Strecke Visp-Zermatt, die 1904 in Betrieb genommene Strecke Chur - St. Moritz und die 1912 eröffnete Strecke Chur-Disentis. Um aber von St. Moritz bis Zermatt zu gelangen, fehlte noch ein 8,9 Kilometer langes Stück zwischen Brig und Visp. 1930 schloß die BVZ die Lücke, so daß nun ein durchgehend nutzbares Gleis mit fast 300 km von St. Moritz bis nach Zermatt vorhanden war.

 

Es war nur ein kurzer Weg, die verschiedenen Regionalzüge zu einem durchgehenden Zug zu vereinen. Sehr schnell wurden die touristischen Möglichkeiten entdeckt, die diese Verbindung zweier inzwischen weltbekannter Urlaubsorte erlaubten. So wurden nur Fahrzeuge gehobenen Standards eingesetzt.
Bis zur Station Disentis stellte die Rhätische Bahn (RhB) sogar einen Salonwagen ein. Ab Disentis übernahm die Furka-Oberlap Bahn (FO) den Zug zur Weiterfahrt in Richtung Zermatt.  Wegen der nun folgenden vielen Zahnstangenabschnitte blieben Fahrzeuge ohne Zahnstangenfähigkeit -also auch die Salonwagen- auf den Gleisen der Furka-Oberalp Bahn und der Visp-Zermatt Bahn ausgesperrt.
Der Glacier Express wurde von Anbeginn von der Rhätischen Bahn und der Visp-Zermatt-Bahn elektrisch betrieben. Die Furka Oberalp Bahn setzte bis 1942 Dampflokomotiven ein. Ab 1942 war auch das Netz der FO elektrifiziert. Durchgesetzt hatte die Elektrifizierung während des 2. Weltkrieges übrigens das Schweizer Militär.
Während der nächsten Kriegsjahre 1943 - 1946 mußte eine  Pause eingelegt werden. Ab 1947 wurde der Betrtieb wieder aufgenommen. Der Salonwagen entfiel ersatzlos. Ab 1948 stellte die Mitropa einen ihrer bei der RhB verkehrenden Speisewagen regelmäßig in den Zug ein. Die Speisewagen erhielten dafür extra in der RhB-eigenen Werkstätte Landquart ein Bremszahnrad. Nur so durften die Fahrzeuge auf den Zahnstangenabschnitten verkehren.
 

 

Das RhB-Krokodil. Loks dieses Typs waren die Standardmaschinen des Glacier bis Anfang der Siebziger Jahre
Das RhB-Krokodil. Loks dieses Typs waren die Standardmaschinen des Glacier bis Anfang der Siebziger Jahre

 


In diesen Jahren war es eine berauschende Mischung aus Abenteuer und Urlaub, die zum heute bestehenden Nimbus des Glacier beitrug. Frühmorgens startete man in St. Moritz. Mit 4-6  Schnellzugwagen in schwerer Stahlbauart und einem vorgespannten RhB-Krokodil Ge 6/6 wurde wenige Kilometer hinter St. Moritz der Abzweig bei Bever passiert und die Albulastrecke in Angriff genommen. Die Albulabahn erhielt ihren Namen vom gleichnamigen Fluß, der der Bahnlinie den Weg weist. Recht betrachtet ist eine Fahrt nur über die Albulalinie auch heute noch ein wirkliches Erlebnis.

 

Auf der Fahrt zwischen St. Moritz und Zermatt durchfährt der Glacier Express 7 große und kleinere Täler, 91 Tunnel und passiert 219 Brücken. Ein Highlight der Fahrt ist die Überquerung des Landwasser-Viadukts. Dieses Viadukt ist 65 m hoch, beschreibt einen Bogen von 45 Grad und mündet in einem Tunnel direkt am steil aufragendem Felsen.
 

 

Blick vom Lauf der Landwasser auf das berühmte gleichnamige Viadukt

 


Der erste Abschnitt des Glacier endet in Graubündens Hauptstadt Chur, zugleich mit 585 m über NN der niedrigste Ort der ganzen Reise. Ab Chur wendet sich der Glacier dem Rheintal zu und fährt entlang des jungen Flusses der Quelle des Hinterrheins entgegen. Bis Disentis, der letzten Station der Rhätischen Bahn, werden 550 Höhenmeter erklommen. Auf der Schwellenhöhe von 1133 m über NN wird der Glacier nun der Furka-Oberalp Bahn übergeben. Die Zahnradlokomotive übernimmt den Zug und steigt weitere 900 Höhenmeter in faszinierender Landschaft gen Westen auf die Passhöhe des Oberalppasses. Am Oberalpsee entlang fährt der Zug heute fast ausnahmslos durch Lawinenschutzbauten. Sicherheit vor Aussicht. Nur wenige der Reisenden wissen von dem schweren Lawinenunglück an dieser Stelle. Noch heute liegen 2 Wagen der FO im See.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 40 km pro Stunde hat dem Glacier Express den Superlativ des langsamsten Schnellzugs der Welt eingebracht, was in diesem Fall zweifellos als Auszeichnung verstanden werden kann. Der Zug erreicht auf diesem Streckenabschnitt nur noch maximal 20 km/h - mehr ist bei Gefällen bis 11 % nicht möglich. Denn es geht ständig bergab. Der Blick geht jetzt über eine grandiose Schweizer Bergwelt.  Im Süden das Gotthardmassiv, im Norden der Blick über die Schöllenenschlucht Richtung Zentralschweiz, im Westen tief unten Andermatt und das Urserental mit der Fortführung unseres Schienenstranges bis hin zur Furka.
Fast 30 Minuten später und 600 m tiefer fährt der Glacier in den Bahnhof Andermatt ein. Halbzeit - in früheren Zeiten -also vor 1982- wurde hier der Speisewagen abgehängt und an den Gegenzug wieder angehängt.
 

 

Blick mit Teleobjektiv vom Nätschen auf Andermatt
Blick mit Teleobjektiv vom Nätschen auf Andermatt

 


Wer das Glück hatte, damals in den Mitropa-Speisewagen von Thomas Tempini ein Vier-Gänge-Menü serviert zu bekommen, wird den abschließenden Schnaps sicher nicht vergessen haben: aus rund 60 cm Höhe schenkte Tempini im schwanken Wagen  in die schiefen Spezialgläser ein.
 

 

Einfahrt in Andermatt
Einfahrt in Andermatt

 

Der Speisewagen wird umgesetzt
Der Speisewagen wird umgesetzt

 


Weiter geht es Richtung Westen zur Furka. Das Urserental ist schnell durchfahren. Nun geht es wieder steil bergauf. Auf der Zahnstange werden 700 Höhenmeter bewältigt. In 2160 m Höhe wird der Furka-Scheiteltunnel und somit der höchste Punkt der Fahrt erreicht. Wenig später und 400 m tiefer läuft der Glacier in Gletsch ein.
 

 

Mit dem Gegenzug fährt der Speisewagen wieder Richtung St. Moritz

Mit dem Gegenzug fährt der Speisewagen wieder Richtung St. Moritz

 

Zugkreuzung in Gletsch. Links wartet der Glacier in richtung Zermatt, rechts läuft der Gegenzug nach St. Moritz ein
Zugkreuzung in Gletsch. Links wartet der Glacier in Richtung Zermatt, rechts läuft der Gegenzug nach St. Moritz ein

 


Imposant ragt die Gletscherzunge des Rhone-Gletscher in den Talboden von Gletsch hinein. Der Rhone entlang sind es jetzt noch 46 Entfernungskilometer und 1100 Höhenmeter hinab bis Brig. In Brig endet die Furka-Oberalp Bahn.

 

Jetzt übernimmt für den letzten Abschnitt von 44 km die Brig-Visp-Zermatt Bahn den Glacier. Der Glacier nutzt für die Fahrt bis Visp das nun breite Rhone-Tal. Nach einem kurzen Halt in Visp biegt der Zug in eine enge Linkskurve ein und fährt an der Vispe entlang leicht bergauf in Richtung Stalden. Ständig steigend auf bis zu 12 % steilen Zahnstangenabschnitten geht es durch das Mattertal Zermatt entgegen. In 1606 m Höhe über NN ist Zermatt erreicht. 10 Stunden unvergleichlicher Eisenbahnfahrt sind beendet. Für die Verarbeitung des Erlebten benötigt man aber ein Vielfaches der Reisezeit.
 

 

Das VZ-Krokdil. Diese Loks waren die Standardzugmaschinen des Glacier bis Ende der Sechziger Jahre
Das VZ-Krokdil. Diese Loks der Gattung HGe 4/4 I 11-15 waren die Standardzugmaschinen des Glacier bis Ende der Sechziger Jahre

 

 


Bis 1982 gab es täglich nur 2 Glacier-Express. Richtung Osten, morgens früh ab St. Moritz und Richtung Westen, morgens früh ab Zermatt. Aber die Zugfahrten waren nur im Sommer möglich. Der Furkapass war ein im Winter nicht zu bezwingendes Hindernis. Schneehöhen von mehr als 10 Metern sind hier keine Seltenheit. Lawinen, die ganze Eisenbahnbrücken zerstören, gehören hier zum Tagesgeschehen. Bereits 1916 wurde die gemauerte Steffenbachbrücke zerstört. Ein Wiederaufbau im Steffenbachtobel machte wenig Sinn. Also entschied man sich für eine dreiteilige, zusammenklappbare Brücke. Jedes Jahr im September wurde die Brücke eingefahren und erst mit der Schneeschmelze Ende Mai des Folgejahres wieder aufgestellt.
 

 

Die dreiteilige und klappbare Steffenbachbrücke.
Die dreiteilige und klappbare Steffenbachbrücke. Rechts ein Notunterstand

 


Wirtschaftlicher Bahnbetrieb war so nicht möglich. Eine damals sehr mutige und jahrelang umkämpfte Entscheidung, die letztendlich wiederum vom Miltiär beeinflußt worden war, wurde umgesetzt: Der Furka-Basistunnel wurde gebaut und 1982 in Betrieb genommen. Die Fahrt über den Furkapass ist damit passé und die Gesamtfahrzeit auf 7 1/2 Stunden reduziert.

Jetzt im Jahr 2005, nach 75 Jahren Glacier Express, wird das Jubiläum auch zur Neupositionierung des Glacier-Express in 2006 genutzt. Die konventionellen Wagen, wie auch die jetzt 15 Jahre alten Panoramawagen sollen ersetzt werden. Neue Maßstäbe sollen bei den 4 neuen Glacier Zügen mit einer komfortablen und großzügigen Inneinrichtung und mit einem neuen Restaurantkonzept gesetzt werden.

Wer sich eine Fahrt im Glacier-Express gönnen möchte, sollte nicht auf ein Mittagessen im holzvertäfelten Speisewagen verzichten. Für die Passagiere wird in mehreren Schichten frisch gekocht und das Flair der guten alten Zeiten ist nur hier erlebbar. Für viele Nostalgiker sind die modernen, rot lackierten Panoramawagen mit ihren großen Fenstern, die einen Rundumblick ermöglichen, viel zu modern. Deshalb sollten eingefleischte Nostalgiker die Möglichkeit nutzen, mit den restaurierten Pullmannwagen des Alpin Classic Glacier Express zu fahren. Diese Züge verkehren im Jahr 2005 an fünf Wochenenden zwischen Juni und Oktober.

Für das Jubiläumsjahr 2005 haben sich die Betreiber etwas Besonderes Einfallen lassen und beschlossen, dreimal zwischen Juli und September den Glacier Express die ursprüngliche Strecke über den Furkapass fahren zu lassen. Hierdurch verlängert sich die Fahrt wegen einer zusätzlichen Hotelübernachtung auf 1 1/2 Tage. Wahre Fans werden dieses Angebot sicher gern annehmen.

Neben den regulären  Glacier-Express-Zügen werden im Jubiläumsjahr jeden Samstag und Sonntag vom 25. Juni bis 9. Oktober Jubiläumszüge zu vergünstigten Preisen verkehren. Hierbei handelt es sich um Panorama- und Nolstalgiezüge.
Eine Fahrt im Panoramawagen kostet 180 Franken oder 117 Euro. Für eine Fahrt in den beiden Nostalgiezügen beträgt der Fahrpreis 270 Franken respektive 175 Euro.
Eine Platzreservierung ist seit 1987 Pflicht, da die Fahrgastzahlen sich pro Jahr auf 250.000 Passagiere belaufen.
 

 

 

 

Francesca deRotta