28. Mai 2006:
Inbetriebnahme Berlin Hauptbahnhof - Lehrter Bahnhof

 

 

  Blick vom Sitz der DB-Zentrale - Foto: DB AG/Kranert

 

Foto: DB AG

 

Der neue Berliner Hauptbahnhof, vormals Lehrter Bahnhof entsteht in direkter Nähe zu den Regierungsgebäuden und des Brandenburger Tors. Am 28. Mai 2006 wird er pünktlich zur Fußballweltmeisterschaft in Betrieb genommen werden. Der Berliner Hauptbahnhof wird dann der größte Kreuzungsbahnhof Europas sein. Die Züge werden im 90-Sekunden-Takt fahren. Täglich werden 300.000 Reisende und Besucher erwartet. Der Bau des neuen Bahnhofs stellte von Beginn an eine logistische Herausforderung dar, angefangen beim Transport der abgetragenen Erdmassen auf Wasserwegen bis hin zum Absenken der Bügelbrücken, dem spektakulären Höhepunkt der Bauarbeiten.

 

 

Zur Geschichte des Lehrter Bahnhofs:
Im selben Jahr, 1871, als die preußische Residenzstadt zur Hauptstadt des neu gegründeten Deutschen Reiches wurde, wurde auch der Lehrter Bahnhof eingeweiht. In der Geschichte der Berliner Fernbahnhöfe des 19. Jahrhunderts war der Lehrter Bahnhof, der in unmittelbarer Nähe zur Spree lag, einer der jüngsten. In Preußen wurde das Kapital, das zum Bau von Bahnhöfen und Eisenbahnstrecken benötigt wurde, zum großen Teil von privaten Eisenbahngesellschaften aufgebracht.

 

 

Der Bahnhof erhielt seinen Namen nach dem Ort Lehrte, dem ersten Eisenbahnkreuzungspunkt aus Richtung Berlin auf dem Gebiet des Königreichs Hannover. Die Namensgebung hatte in erster Linie politische Gründe. Obwohl Berlin bereits über gute Eisenbahnverbindungen in den Westen verfügte, sollte auch Hannover einen direkten Anschluß an das preußische Eisenbahnnetz erhalten. Um die Strecke zu bauen, benötigte man eine staatliche Konzession. Nun hatte sich das damalige Königreich Hannover bei politischen Auseinandersetzungen zwischen Preußen und Österreich aber auf die Seite Österreichs gestellt. Damit  bei der Namengebung keine unliebsamen Assoziationen auftraten, entschied man, daß die neu gegründete Gesellschaft, die für den Bau der Strecke warb, unter dem Namen  “Berlin-Lehrter-Komittee” firmierte. Der Name des Ortes Lehrte war politisch unverdächtig und zugleich der erste Eisenbahnkreuzungspunkt auf hannoverschem Gebiet.

 

 

Nach dem preußisch-österreichischem Krieg von 1866 erfolgte die Annexion Hannovers durch den preußischen Staat, und so erhielt nun die Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn-Gesellschaft die Konzession zum Bau der Strecke. Auf besonderen Wunsch Kaiser Wilhelms I. wurde der Bahnhof aus “ästhetischen Rücksichten” parallel zum Ufer des Humboldthafen angelegt. Für die repräsentative Schauseite des Empfangsgebäudes wurden von den Architekten Anleihen bei der Antike und der Renaissance genommen.

 

 

Einen Hauptbahnhof gab es im Berlin des 19. Jahrhunderts nicht. Vielmehr gab es in Berlin mehrere Bahnhöfe, zu denen die Reisenden teilweise mit Droschken fahren mußten, um zu dem entsprechenden Anschlußzug zu gelangen. Durch die Inbetriebnahme des Lehrter Bahnhofs war an der Spree ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt entstanden. So konnte jetzt der Rangier- und Eilgutbereich nördlich der Invalidenstraße, der Güterbahnhof auf dem Moabiter Werder und der Hamburger Bahnhof schnell erreicht werden. 1884 wurde der  Hamburger Bahnhof zu Gunsten des Lehrter Bahnhofs geschlossen. So avancierte der  Lehrter Bahnhof zum wichtigsten "Überseebahnhof" Berlins. Die Strecken nach Hamburg, Bremen und Bremerhaven wurden jetzt vom Lehrter Bahnhof bedient.

 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gilt das Berliner Eisenbahnnetz mit seiner innerstädtischen Ringbahn als vorbildlich. 1910 kamen im Zusammenhang mit dem Wettbewerb zur Gestaltung "Groß-Berlins" Pläne an die Öffentlichkeit, die den Bau einer unterirdischen Verbindungsbahn von Nord nach Süd vorsahen. Zwei neue Zentralbahnhöfe, einer im Süden der Stadt und einer am Kreuzungspunkt mit der Stadtbahn, sollten die Kopfbahnhöfe ersetzten. Der erste Weltkrieg setzte dem kostenintensiven Verkehrsvorhaben allerdings ein Ende. Die Zentralbahnhöfe wurden nie gebaut. 1934 wurde die Idee eine Nord-Süd Verbindung mit dem Bau der S 1 wieder aufgegriffen. Auch jetzt wurde der Bau eines Zentralbahnhofs nicht realisiert und so blieben die Kopfbahnhöfe und damit auch der Lehrter Bahnhof weiterhin die wichtigsten Anlaufstationen für den Fernverkehr. Die Kopfbahnhöfe wurden innerhalb der Stadt durch die Ringbahn verbunden.
Seit 1929 hielt auch die Berliner S-Bahn am Lehrter Stadtbahnhof, denn die sogenannte Große Elektrifizierung war abgeschlossen. Die Haltestation befand sich hinter der Einfahrt zur Bahnhofshalle des Lehrter Bahnhofs. Die Station war auf einer Brücke gebaut worden. 

 

Die nationalsozialistische Herrschaft und der Zweite Weltkrieg machten der Entwicklung Berlins als Bahnmetropole ein Ende. Die Bahnanlagen des Lehrter Bahnhofs wurden durch Bombenangriffe stark beschädigt. Zwar konnte der Betrieb nach dem zweiten Weltkrieg noch aufrechterhalten werden, doch durch die Teilung Deutschlands und Berlins verlor der Bahnhof an Bedeutung.

 

Nach dem Krieg wurden alle Berliner Bahnanlagen von der Reichsbahn der DDR verwaltet. 1952 stellte die Reichsbahn der DDR den Verkehr am Lehrter Bahnhof endgültig ein. 1959 wurden die Überreste des einstigen Prachtbaus gesprengt. Die Sprengung war nicht ganz einfach, weil die nahegelegenen Stadtbahnanlagen nicht beschädigt werden durften. Jahrzehntelang erinnerte nur noch der Name der nahegelegenen S-Bahn-Station an den einstigen Fernbahnhof im Herzen Berlins. Für viele Jahre war nun die Station Lehrter Stadtbahnhof der letzte Bahnhof im Westteil von Berlin. Die nächste Station war  der Bahnhof Friedrichstraße, der sich aber bereits im sowjetischen Sektor befand.

 

Foto: DB AG / Korall

 

Nach dem Mauerbau 1961 gehörte die Station Friedrichstraße dann zur DDR und war nicht mehr erreichbar. Das einstmals zusammenhängende Bahngelände wurde somit für 30 Jahre lang zum öden Grenzgebiet zwischen Ost und West.

Seit 1989 hatte das Wort Reisefreiheit besondere Bedeutung.  Die Forderung der Bürger der DDR entwickelte eine Dynamik, die letztlich zur Wiedervereinigung Deutschlands und der geteilten Stadt Berlin führte.
Für die Bahn begann ein neues Zeitalter. Die alten Bahnverbindungen der Stadt werden nach und nach modernisiert. Die sogenannten Geisterbahnhöfe werden wieder zum Leben erweckt.

 

 

1994 fusionieren Deutsche Bundesbahn und Reichsbahn zur Deutschen Bahn AG. Dies ist durch eine Änderung im Grundgesetz möglich geworden. Ebenso wird 1994 beschlossen, dass Berlin wieder zur Hauptstadt wird. Das bedeutet, daß Berlin auch wieder, wie schon damals- zur Bahnmetropole werden soll. Nach den Überlegungen der Verkehrsplaner soll eine neue Nord-Süd-Verbindung und ein Hauptbahnhof auf dem Bahngelände zwischen Humboldthafen und der S-Bahnstation Lehrter Bahnhof entstehen. So wird für Berlin der größte Kreuzungsbahnhof Europas entstehen, der durch seine helle und großzügige Architektur besticht.

 

Neubau des Hauptbahnhofs:
Anfang der Neunziger Jahre wurden erste Überlegungen für den Bau eines Hauptbahnhofs in Berlin angestellt.

 

Am 12. September 1995 wurde das Planfeststellungsverfahren für die Nord-Süd-Verbindung mit dem Berliner Hauptbahnhof abgeschlossen. Die Grundsteinlegung fand am 9. September 1998 statt.

 

Foto: DB AG/Jazbec

 

Eine Besonderheit ist das Glasdach des neuen Bahnhofs. 23 stählerne Dachbinder schlagen einen 16 Meter hohen und 59 bis 68 Meter weiten Bogen. Kein Glaselement des Daches gleicht dem anderen, denn die Halle liegt in einer Kurve und weitet sich zur Bahnhofsmitte auf. 85 Kilometer Stahlseile geben dem Dach Halt.

 

Foto: DB AG

 

Die Bauzeit für dieses Dach betrug nur vier Monate. In dieser Zeit mußten alle 10 000 Schweißnähte gezogen und alle Seile gespannt werden. Die 40 bis 50 Tonnen schweren Dachbinder mußten mit einem insgesamt 3600 Tonnen schweren Montagegerüst gestützt werden. Die Gleise der Nord-Süd-Verbindung 15 Meter unter der Erde und die Gleise der Ost-West-Verbindung zehn Meter über dem Straßenniveau bilden den markanten Kreuzungsbahnhof. Eine halbe Million Kubikmeter Beton und 85 000 Tonnen Stahl für die Bewehrung des Betons wurden in den Rohbauten  verbaut. Die 321 Meter lange gläserne Halle der in Ost-West-Richtung verlaufenden Stadtbahn wird von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden 160 Meter langen und 40 Meter breiten Bahnhofshalle gekreuzt. Damit wird architektonisch der vorgegebene Gleisverlauf unterstrichen. Ein raffiniert ausgetüfteltes System großer Öffnungen in den Decken aller Ebenen läßt Tageslicht bis zu den unteren Gleisen gelangen. Die zwei 46 Meter hohen Bürogebäude, die so genannten Bügelbauten, überspannen außerdem die Stadtbahn und bilden den weithin sichtbaren Rahmen für diesen einzigartigen Verkehrsknotenpunkt.

 

Foto: DB AG/Schulz

 

Nach Inbetriebnahme des Bahnhofs werden pro Tag 1108 Züge den Bahnhof anfahren. Bis zu 300 000 Reisende und Besucher werden in den nächsten Jahren täglich erwartet . Bis zum Jahr 2010 wird allein im Fernverkehr mit mehr als 19 Millionen Reisenden kalkuliert. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, wurde ein neues Bahnkonzept entwickelt.

Ab 28. Mai 2006 wird die Nord-Süd-Verbindung der Bahn mit dem Berliner Hauptbahnhof und weiteren Regional- und Fernbahnhöfen in Betrieb genommen. Das Kernstück für die Fern- und Regionalbahnstrecken bildet der neue Hauptbahnhof. Fern- und Regionalzüge von Hamburg, Rostock, Stralsund und Stettin erreichen den Hauptbahnhof über den nördlichen Berliner Innenring und verlassen Berlin in Richtung Süden über den Bahnhof Berlin Südkreuz. Züge der Ost-West-Richtung bleiben auf der Stadtbahnstrecke.

 

Foto: DB AG/ Jazbec

 

Technische Daten des Berliner Hauptbahnhofs in Zahlen:

800 Beschäftigte, davon 150 Mitarbeiter der Bahn
300 000 Nutzer täglich (geschätzt)
ca. 70 000 Quadratmeter Geschoßfläche gesamt
ca. 15 000 Quadratmeter Gewerbefläche gesamt
ca. 900 PKW-Stellplätze
ca. 164 Fernverkehrszüge täglich
ca. 314 Nahverkehrszüge täglich
616 S-Bahnzüge täglich
500 000 m³ Beton
85 000 t Stahl
54 Fahrtreppen
6  Panoramaaufzüge
1 700 m² Solardachfläche mit über 780 einzelnen Solarmodulen

 

 

 

25.3.2005 Francesca deRotta

 

 

 

 

26.5.2005
Eröffnungsfeier und Lichtershow
Berlin Hauptbahnhof
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