ESA-Mondsonde SMART-1

 

Flug mit Ionentriebwerk erfolgreich beendet

 

Am Sonntagmorgen, dem 3. September 2006 um 07:42 Uhr MESZ prallte die europäische Mondsonde Smart-1 in dem Gebiet “Lake of Excellence”, bei 34,4° südlicher Breite und 46,2° westlicher Länge, auf dem Mond auf. Ein kleiner Blitz auf der Mondoberfläche bestätigte den Aufprall und die European Space Agency (ESA)- Bodenstation im australischen New Norcia verlor den Funkkontakt zur Sonde.

Smart-1 fiel auf die der Erde zugewandten Mondseite in einem von der Sonne nicht erfaßtem Gebiet direkt neben dem Terminator - der Trennlinie zwischen der Tag- und der Nachtseite- mit einem Winkel von etwa einem Grad und einer Geschwindigkeit von rund zwei Kilometern pro Sekunde, das entspricht 2.700 km/h. Das Gebiet, in dem die Sonde aufschlug, und auch der Zeitpunkt waren exakt so gewählt worden, daß von der Erde der Aufprall mit Teleskopen beobachtet werden konnte. Um den kontrollierten Absturz wie geplant durchführen zu können, mußten im Laufe des Sommer 2006 einige orbitale Manöver und Bahnkorrekturen durchgeführt werden. Die letzte Korrektur fand am 1. September 2006 statt.

Dieser absichtliche Absturz bildete den Abschluß einer erfolgreichen Mission. In den eineinhalb Flugjahren wurden eingehende wissenschaftliche Untersuchungen des Mondes sowie neue Raumfahrttechnologien getestet.

 

 

  Start der Ariane-5 mit SMART-1

 

SMART-1 (Small Mission for Advanced Research and Technology - kleine Mission für technologische Forschung) startete am 27. September 2003 an Bord einer Ariane-5 Rakete von Europas Raumflughafen (CSG) in Kourou, Französisch-Guayana. Nach einem langen spiralförmigen Flug um die Erde erreichte die Sonde erst im November 2004 den Mond.
Im März 2005 nahm Smart-1 die wissenschaftlichen Beobachtungen des Mondes auf. Die Sonde umflog den Erdtrabanten in einer elliptischen polaren Umlaufbahn.
Die Bordinstrumente bestanden aus einer Miniaturkamera, einem Röntgenstrahlenteleskop zur Bestimmung der wichtigsten chemischen Elemente der Mondoberfläche, einem Infrarotspektrometer zur Kartierung der Mineralien des Mondes und einem Röntgensolarmonitor zur Ergänzung der mit dem Strahlenteleskop durchgeführten Messungen und zur Untersuchung der unterschiedlichen Sonnenaktivitäten.

 

 

SMART-1 mit ausgefahrenen Solarflügeln

 

Ein hocheffizientes Triebwerk, viel Platz für Instrumente, präzise Leistung und ein guter Preis. So stellt sich SMART-1 dar, die Mondsonde der ESA. SMART-1 ist wesentlich kleiner, kostengünstiger und in vieler Hinsicht leistungsstärker als herkömmliche Raumfahrzeuge. Ihr Geheimnis liegt in den neuen Technologien, die an Bord getestet werden konnten und die die Raumfahrzeuge der Zukunft entscheidend mitgestalten werden.

Mit SMART-1 ist vor allem eine neue Antriebstechnik, der sogenannte “solarelektrische” Antrieb, und die Miniaturisierung von Raumfahrzeugen und Instrumenten erprobt worden. Vereint haben diese beiden bahnbrechenden Technologien ein Raumfahrzeug mit revolutionären Eigenschaften hervorgebracht: Es ist kleiner und leichter. Es kann mehr wissenschaftliche Instrumente mitführen und benötigt weniger Treibstoff. Dies alles senkt die Missionskosten beträchtlich.

Obwohl es sich um das erste Vorhaben dieser Art handelt, wurde SMART-1 in weniger als vier Jahren für nur 110 Millionen Euro entwickelt, einem Fünftel der Kosten einer herkömmlichen Wissenschaftsmission der ESA. Der Preis schließt den Start und Betrieb der Sonde sowie ein Dutzend wissenschaftlicher Experimente mit ein.

 

 

Austrittsöffnung des Ionentriebwerks

 

Dank ihrer kleinen Größe kann sich die Sonde außerdem den Ariane-Start mit zwei weiteren Passagieren, d.h. zwei kommerziellen Nutzlasten, teilen.
SMART-1 mutet fast wie ein Spielzeug an - es bringt gerade 367 kg auf die Waage und findet in einem Würfel mit 1 m Kantenlänge Platz, die entfalteten Solarzellenflügel haben eine Spannweite von 14m. Trotzdem ist die Sonde fähig, hochwertigste wissenschaftliche und technologische Daten zu sammeln.
Die Sonnensegel  verfügen gegenüber Siliziumzellen über leistungsstärkere Galliumarsenid-Solarzellen.

Der solarelektrische Antrieb, eine der neuen Technologien im Mittelpunkt der SMART-1-Mission, ist eine auf dem sogenannten Ionentriebwerk beruhende Antriebstechnik. Ein Ionentriebwerk stößt auf seiner Rückseite einen steten Strom positiv geladener Teilchen - Ionen - aus, wodurch nach dem Rückstoßprinzip ein Schub nach vorn erzeugt wird. Der von diesen Triebwerken benötigte elektrische Strom wird von Sonnenzellenflügeln erzeugt - daher auch die Bezeichnung “solarelektrischer Antrieb”.

Das Ionentriebwerk, die sogenannte SEPP-Einheit (Solar Electric Primary Propulsion) besteht aus einem Triebwerk und einem Tank mit 82 kg Xenongas. Das Edelgas wird in der SEPP durch die Zufuhr der elektrischen Energie ionisiert, die aus den Solarzellen gewonnen wird. Dabei trennen sich die Elektronen von den Atomkernen (Ionen). Es entsteht ein Plasma. Unter der Nutzung eines physikalischen Effekts, dem so genannten Hall-Effekt, werden die Ionen aus dem Triebwerk in eine Richtung heraus in den Weltraum geschleudert und treiben so die Mondsonde an. Dabei erreichen die geladenen Teilchen eine Geschwindigkeit von 16 000 km/h, der dabei erzeugte Schub beträgt 70 mN.
Der Hall-Effekt wurde von dem amerikanischen Physiker Herbert Hall 1879 entdeckt. Der Effekt beschreibt das Entstehen einer Spannung, der Hall-Spannung, zwischen zwei Punkten in einem elektrischen Leiter durch Stromfluss und unter dem Einfluss eines Magnetfeldes. Die derart erzeugte Spannung wird in dem Triebwerk für die Beschleunigung der Ionen genutzt.

Beginnend mit SMART-1, dem ersten europäischen Raumfahrzeug, bei dem ein Ionentriebwerk als Hauptantrieb eingesetzt wird, können die enormen Vorteile eines solchen Systems nun voll genutzt werden. Ionentriebwerke haben einen sehr hohen Wirkungsgrad. Dadurch kann die auf dem Raumfahrzeug mitgeführte Treibstoffmenge beträchtlich reduziert werden, die wiederum Platz und Startgewicht für wissenschaftliche Instrumente freisetzt. Ionentriebwerke machen es künftig möglich, sehr weite Strecken in kürzerer Zeit zurückzulegen, und ebnen damit den Weg für die Erforschung der Tiefen des Universums. Als entscheidender Vorteil für Missionen, die eine sehr genaue Ausrichtung des Raumfahrzeugs erfordern, gewähren diese Triebwerke zudem eine präzise Lageregelung.

All diese interessanten Eigenschaften sind darauf zurückzuführen, daß Ionentriebwerke einen sehr sanften Schub erzeugen. SMART-1 beschleunigt nur 0,2 Millimeter pro Sekunde. Das entspricht der Gewichtskraft einer Postkarte. Deshalb ist der solarelektrische Antrieb auch nicht für den Start von der Erdoberfläche geeignet – außerdem funktioniert er nur im Vakuum. Sehr ferne Ziele aber stellen für das System kein Hindernis dar. Im Gegensatz zu herkömmlichen chemischen Raketenantrieben, die nur ein paar Minuten brennen können, funktionieren Ionentriebwerke jahrelang - oder zumindest so lange sie von den Sonnenzellen mit Strom versorgt werden.

Aus diesen Gründen werden gerade die langen interplanetaren Missionen mit hohem Energiebedarf den größten Nutzen aus einem solarelektrischen Hauptantriebssystem ziehen. Herkömmliche Raumfahrtsysteme brauchen für derartige Langstreckenflüge enorme Vorräte an chemischem Treibstoff. Für wissenschaftliche Instrumente bleibt da kaum Platz. Um Treibstoff zu sparen, müssen sie zudem zahlreiche Manöver unter Nutzung des Gravitationsbeschleunigungseffekts ausführen, die die Flüge um so länger und komplexer machen. Auf kurzen Strecken, wie beispielsweise auf direktem Weg von der Erde zum Mond, kommen diese Vorteile allerdings nicht zum Tragen.

 

 

Einsatzbahnen im Abstand zwischen 300 und 3000 km von den Mondpolen und Aufschlagstelle

 

So flog Smart-1 nicht auf direktem Weg zum Mond, sondern näherte sich dem Mond in einer spiralförmigen Umlaufbahn Monat für Monat und legte dabei über 100 Millionen km zurück. Wäre die Sonde auf direktem Weg zum Mond geflogen, hätte die Entfernung nur zwischen 350000 und 400000 km betragen.

 

 

Letzter Umlauf: SMART-1 nähert sich der Oberfläche

 

 

Letzte Bilder vom Mondhorizont wenige Sekunden vor dem Aufprall

 

 

Rot markiert: der Aufschlagort Lake of Excellence

 

Für die Erprobung  des Ionentriebwerks auf einem Flug zum Mond sprechen drei Gründe. Erstens ist der Mond ein wissenschaftlich hochinteressantes Ziel. Zweitens kann SMART-1 die Kosten für den Start mit der Trägerrakete Ariane-5 mit anderen Nutzlasten teilen, die ebenfalls auf die Übergangsbahn zum geostationären Orbit (GTO) befördert werden. Und nicht zuletzt ist die spiralförmige Flugbahn, auf der SMART-1 sich dann von der GTO zum Mond “emporschraubt”, besonders lang und anspruchsvoll. Sie bietet also ausreichend Gelegenheit, das Ionentriebwerk unter Bedingungen, die einer Mission in die Tiefen des Weltraums in nichts nachstehen, auf Herz und Nieren zu prüfen.

Die Technologie, die nun mit SMART-1 getestet worden ist, ist für die ESA eine strategische Investition in die Zukunft. Die solarelektrische Antriebstechnik wurde unter der direkten Leitung der ESA entwickelt. Das Smart-1-Ionentriebwerk ist von dem französischem Luft- und Raumfahrtunternehmen SNECMA gebaut worden.

Die mit SMART-1 gewonnene Erfahrung wird für viele Aspekte der Weltraumtechnologie nutzbringend sein und eine wertvolle Grundlage für die Vorbereitung künftiger ESA-Programme darstellen.

Ionentriebwerke werden in künftigen wissenschaftlichen Missionen der ESA zum Einsatz kommen, wenn abgelegene Ziele mit herkömmlichen chemischen Antriebssystemen nicht erreicht werden können. Andere wissenschaftliche Vorhaben werden überhaupt erst durch die genaue Lagekontrolle möglich, die der äußerst sanfte Schub der Ionentriebwerke bietet

Ebenso fortschrittlich ist die bei SMART-1 angewandte Industriepolitik. SMART-1 ist ein gutes Beispiel einer ESA-Mission, bei der ein vergleichsweise kleines Unternehmen wie die Swedish Space Corporation (SSC) als Hauptauftragnehmer ausgewählt wurde und unter Mitwirkung von nahezu 30 Unternehmen aus 11 europäischen Staaten und den USA das Projekt zum Erfolg führte.

 

 

 

 

 

alle  Fotos:  © esa 
Download nur zum nicht-kommerziellen Gebrauch

 

PS   14. September 2006

 

 

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