Jubiläum eines Mythos

Das Schweizer Postauto wird 100 Jahre alt

 

 

 

 

▲ Saurer-Cabrio-Bus, Baujahr 1947 im täglichen Linienverkehr von Grindelwald im Berner Oberland. Die Vergrößerung des Fotos zeigt im Hintergrund den Eiger (3970 m) mit der berühmten Nordwand. August 1981

 

Seit 1906 verkehren in der Schweiz die legendären Postauto-Omnibusse. 1906 nahm die erste Postauto-Linie zwischen Bern - Wohlen - Detligen ihren fahrplanmäßigen Dienst auf. Die ersten drei Busse hatten Platz für 14 Passagiere. Sie verfügten über einen 4-Zylinder-Benzinmotor mit etwa 30 PS. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 30 km/h, der Benzinverbrauch lag bei über 40 Litern auf 100 Kilometern und war somit sehr hoch. Die Wirtschaftlichkeit der Busse war dementsprechend schlecht. Die Automobiltechnik befand sich zu diesem Zeitpunkt noch am Anfang ihrer Entwicklung und war dem Aufbau eines regelmäßigen Linienverkehrs nicht so recht gewachsen. Aus diesem Grund mußte auch die 1906 eröffnete Linie zwischen Bern und Papiermühle nach 3 Jahren wieder auf Pferdebetrieb umgestellt werden.

 

 

 ▲ Saurer-Hochzeitsbus im Wallis bei Biel, 1958                          © Foto Die Schweizerische Post

 

▼▲ FBW-Postbus im regnerischen Grindelwald, Juli 1979

 

 

 

Nach dem 1. Weltkrieg kam die Wende. Die Schweizerische Postverwaltung mit Sitz in Bern liess nach Ende des Krieges einhundert leistungsfähige und kriegserprobte Armeelastwagen zu Postautos umbauen. Die einen wurden zu Überland-Omnibussen umgebaut, die anderen läuteten mit ihrem Faltverdeck die Ära der berühmten Alpenwagen ein.

 


▲ An Sommertagen wird das große Faltdach geöffnet und der Bus wird zum Cabrio

 

Heckansicht eines FBW-Busses

 

In den Jahren 1919 bis 1922 eroberten die Postautos den Alpenraum. Zuerst 1919 den Simplonpass. Danach folgten in den Jahren 1920 bis 1922 der San Bernadino,
Julier, Grimsel, Furka, Oberalp, Gotthard und Col des Mosses. Weitere Alpen- und Juraüberquerungen kamen im Laufe der Jahre hinzu. 1924 hatte die Reisepost bereits 169 Fahrzeuge im Einsatz. Ab 1927 fuhren die Postautos auch über den Flüelapass und 39 Gebirgsstrassen wurden zu Bergpoststrassen erklärt. Nur auf diesen Bergpoststraße darf das legendäre wechseltönige Dreiklanghorn eingesetzt werden. Und eine Bergpoststraße ist nur dann eine Bergpoststraße, wenn die Bergpoststraße offziell als solche deklariert ist. Die Tonfolge des Dreiklanghorns gehört zu den Schweizer Postautos, wie die unverwechselbare gelbe Lackierung der Postauto-Omnibusse. Entlehnt ist die 3-Ton-Melodie der Ouvertüre aus Rossinis Oper «Wilhelm Tell».

 

 

Auch in der übrigen Schweiz breiteten sich die Postautos rasant aus. Die alte Pferdepost, die seit 1849 bestand, geriet immer mehr ins Hintertreffen, so daß es 1930 nur noch einhundert Nebenlinien mit Pferdepost gab. 1961 stellte die letzte fahrplanmäßige Pferdepost zwischen Crest und Juf im bündnerischen Avers ihren Dienst ein.

 

Neben Personen befördern die Postbusse auch in kleinerem Rahmen Güter. In diesem Falle werden täglich die Milchkannen vom Senn ins das Tal befördert.

 

Von 1920 an wurde auch an der Technik der Busse gearbeitet. So wurde in diesem Jahr die Bereifung von Vollgummi auf Pneubereifung umgestellt. 1931 wurde der Dieselmotor eingeführt. 1935 wird erstmals ein Frontlenker eingesetzt.
Auf stark frequentierten Routen kommen im Jahr 1933 erstmals Busse mit Gepäckanhängern zum Einsatz, bis dann sehr viel später Gelenkbusse auf diesen Strecken eingesetzt worden sind. Um den ständig steigenden Anforderungen gerecht zu werden, wurden 1954 32 neue Alpenwagen Typ IIIa in Betrieb genommen, um die Voraussetzungen für Gruppen und Extrafahrten zu schaffen. Bis 1970 sind  ausschließlich die Postautos Schweizer Hersteller eingesetzt worden.

 

▼▲ Zentraler Omnibusbahnhof in Grindelwald, Drei Generationen von Postbussen warten im Sommer 1981auf Fahrgäste.

 

 

Das Postauto hat neben seiner Funktion als öffentliches Verkehrsmittel auch einen großen Verdienst im Tourismusbereich. Mit der Eröffnung der Sustenstrasse im Jahr 1946  begann die grosse Zeit der berühmten und sehr beliebten Drei- und Vierpässefahrten. Bis heute ist das Angebot der Route Express Lines auf sieben verschiedene Fahrten angewachsen. Neben dem Palm-Express der zwischen St. Moritz und Lugano die Reisenden in vier Stunden von den Gletschern hinunter zu den Palmen in Lugano bringt, bestehen noch weitere interessante Routen wie:

 

Historic Route Express:
Flüelen (Vierwaldstättersee) - Altdorf (Wilhelm-Tell-Denkmal) - Balm (Klausenpass) - Linthal
Julier Route Express:
Chur - Lenzerheide - Savognin - St. Moritz
Napoléon Route Express:
Domodossola - Napoléon - Simplon Kulm - Brig - Saas Fee
Palm Express:
St. Moritz - Maloja - Chiavenna - Menaggio - Lugano
Romantic Route Express:
Andermatt - Gletsch (Furkapass); Gletsch - Meiringen (Grimselpass); Meiringen - Grindelwald (GrosseScheidegg) 
Ticino Route Express:
Oberwald - Nufenpass - Airolo - Andermatt
 

 

Klassiker sind und bleiben aber die Drei- und Vierpässefahrt in den Zentralalpen aus den Anfängen des Postauto-Tourismus. Dazu kommen mehr als 50 regionale Tagesfahrten, die inzwischen sogar weltweit reserviert werden können.

 

▲ Busparkplatz in Andermatt

 

▲ Linienbus von Disentis nach Süden über den Lukmanierpaß mit Anschluß an die Furka-Oberalp- und Rhätische Bahn

 

Die modernen Omnibusse des Postautodienstes sind heute von den Straßen und Alpenpässen der Schweiz nicht mehr wegzudenken. Sie verbinden selbst das kleinste Bergdorf mit der Außenwelt.

 

  © Foto Die Schweizerische Post

 

Mit insgesamt 10.363 Kilometern erschließen die Postautos ein rund dreimal so großes Streckennetz wie das der Schweizerischen Bundesbahn. Heute besteht die Fahrzeugflotte aus rund 2000 Fahrzeugen, darunter Doppelstock- und Gelenkbusse sowie einige Hightech-Reisebusse.

 

  © Foto Die Schweizerische Post

 

Über 2600 Fahrer legen auf ihren Bussen pro Jahr ungefähr die schier unvorstellbare Strecke von 91 Millionen Kilometern zurück. Zum Jubiläum -100 Jahre Postauto- gibt es das ganze Jahr über spezielle Reiseangebote. Darüber hinaus kündigte die Post zum hundertjährigen Jubiläum eine Sondermarken-Serie und einen nationalen Festakt an.

 

▲ Postlinie über den Julier von St. Moritz nach Tiefencastel             © Foto Die Schweizerische Post

 

▲ Die neue Bushalle in Chur                                                          © Foto Die Schweizerische Post

 

 

 

15.2.2006 Francesca deRotta