Die HO-Modellbahn-Neuheiten des Jahres
Nürnberger Spielwarenmesse 2007

 

Von Klaus Honold

 

Das große Ah und das große Oh, sie blieben diesmal aus in den Gängen der den Modellbahnen vorbehaltenen Halle 4 der Nürnberger Spielwarenmesse. Sensationen? Fehlanzeige. Vielleicht ist das auch ein gutes Zeichen – die überhitzte Neuheitenpräsentation der vergangenen Jahre hat schließlich allzu oft die in Wahrheit defizitäre Lage der Hersteller übertünchen sollen; kurz drauf kamen dann die Hiobsbotschaften. Nicht nur in dieser Hinsicht war “Nürnberg 2007” deutlich ruhiger. Auch in anderer: Erstmals war deutlich weniger künstliches Dampflokschnaufen und Dieselmotorröhren zu hören. Die “Sound”-Mode scheint langsam zum Ende zu gelangen ...

 

Modellbahnen in Halle 4A

Foto: Spielwarenmesse

 

“Die” Neuheit fehlte also, jedenfalls in der Baugröße H0, auf die wir hier ein Auge werfen. Die Kataloge und Neuheitenprospekte fallen 2007 deutlich schmaler aus, auch dies ein Zeichen von erfreulichem Realismus. Dennoch gibt es erneut bedauerliche Doppel- und Dreifachentwicklungen, besonders beim heurigen Leitthema: “50 Jahre TEE”.

 

Modelle, auf die der Verbraucher lange warten mußte, werden plötzlich gleich von mehreren Herstellern angeboten. Über die Folgen mag sich jeder eigene Gedanken machen.

 

Roco (Modelleisenbahn GmbH) kündigt mit einem Vorbildfoto den italienischen Aln 442/448 (“TEE Mediolanum”) an – schon fürs erste Vierteljahr. Beim italienischen Konkurrenten A.C.M.E. freilich steht der Zug schon auslieferungsbereit in der Vitrine – äußerlich in kaum zu überbietender Qualität. Im Herbst will Roco den RAm-TEE bringen, einen vierteiligen Triebzug der SBB sowie der NS, der 1971 durch das Unglück bei Aitrang im Allgäu Schlagzeilen machte. Denselben Zug kündigt auch Trix an – in Kunststoffbauart, unverkürzt und mit Fünfpolmotor und Schwungmasse. Wer die Nase vorn behält, bleibt abzuwarten. Den sogenannten Schweizer Allstromzug RAe (“TEE Gottardo”) wiederum bringt Trix als Übernahme aus dem Märklin-Programm, also mit verkürztem Metallgehäuse und konventionellem Antrieb ohne Schwungmasse. Bei TEE-Lok-Wagen-Zügen konkurrieren Trix und Roco wieder: Beide bieten die Rheingold/Rheinpfeil-Wagengarnitur mit entsprechender Lok an. Bei Trix gibt es die E 10.12 plus (verkürzte) Wagen sowohl in blau/beige wie rot/beige, bei Roco die älteren blau/beige E 10 mit unverkürzten Wagen.

 

Extravagant dagegen das bei Trix ebenfalls von Märklin übernommene Sortiment der SNCF-/SNCB-Züge. Mit den schweren sechsachsigen Mehrsystemloks CC 40100 und Serie 18 sowie den schönen Inox-Wagen kann man die Trans-Europ-Verbindungen “Etoile du Nord”, “Oiseau Bleu”, “Brabant” und “Ile de France” nachbilden. Die Loks sind aus Metall, leider mit herkömmlichen Märklin-Antrieben.

 

Zurück zu Roco: Die Hauptneuheit heuer ist die Baureihe 24, das Steppenpferd – eine der meistvermissten Dampflokomotiven bei den H0-Modellbahnern. Das Fleischmann-Modell ist schon lang nicht mehr konkurrenzfähig; warum die Nürnberger sich nicht zu einem Up-Date entschließen mochten, bleibt ebenso rätselhaft wie beim “Bubikopf”, der Baureihe 64, von der Roco im vergangenen Jahr ein zeitgemäßes und überaus gelungenes Modell präsentierte. Leider kann Roco für das “Steppenpferd” keinen Auslieferungszeitraum angeben.

 

Epoche-III-Freunde wird es freuen, daß die 03.10 nun auch in schwarzer Normalausführung kommt. Voriges Jahr war sie nur im Rahmen eines digitalen Startsets erhältlich. “Wieder da” sind Modelle der Dampflokbaureihen 50 und 57 (Epoche III). Dem Augenschein nach unverändert – also mit den altbekannten Sünden, unnötig gekröpften Treibstangen zum Beispiel, die man heute wirklich nicht mehr sehen und ertragen mag. Zu den kuriosen Roco-Neuheiten zählt die DDR-V 100, die es in exzellenter Ausführung seit Jahren bereits von Brawa gibt. Warum ein Unternehmen, das mit dem finanziellen Rücken zur Wand steht, dafür hohe Entwicklungskosten ausgibt, bleibt ein nicht zu klärendes Geheimnis.

 

Bei Trix richtet die Neugier sich vor allem auf das Modell der ÖBB-Ellok-Diva 1012. Die elegante Schönheit soll als Fahrzeug in Kunststofftechnik mit Schwungmassenmotor einen Paradigmenwechsel einläuten, verlorengegangene Kundschaft zurückgewinnen. Das Modell wird gleich mit zwei Betriebsnummern ausgeliefert – alles sehr lobenswert, doch im Vergleich zu den traditionellen Märklin-Übernahmen macht die neue Technik bei Trix auch 2007 nur einen winzigen Teil aus.

 

Eine wirklich wichtige Neuheit stellt die Diesellok der Baureihe 218 da, die es als adäquates H0-Modell noch nicht gab – obwohl die Lokomotive beim Vorbild seit Jahrzehnten das Geschehen dort dominiert, wo kein Fahrtdraht hängt. Leider setzt auch hier Trix auf Märklin-Technik – also eher ein Modell für die Vitrine. Dasselbe gilt für die Rangierlok V 60, die zwar mit der nostalgischen Märklin-Telex-Kupplung ausgerüstet wird, aber auch den Märklin-Motor hat, der mit seinen ruckartigen Bewegungen kaum zum sanften Rangieren taugt. Auch die schwere Güterzug-Ellok E 50, an der sich Roco über Jahre vergeblich abgearbeitet hat, kommt als klassisches Metall-Modell aus dem Märklin-Fundus.

 

Roco war einst Marktführer auf dem Gleichstromsektor. Inzwischen, so Firmenchef Christian Plohberger, liegt man “mit Fleischmann gleichauf” – der Nürnberger Hersteller gilt seit je als “ruhender Pol der Branche”. Da weiß man, jede Weihnachten eine neue Lok, dafür keine negativen Nachrichten. Die neue Lok gehört diesmal zur Baureihe 95 – eine Maschine, die bereits von Piko und Liliput angeboten worden war. Die Vorgänger sind jedoch nicht mehr konkurrenzfähig. Erstmals seit Jahren bietet Fleischmann damit wieder eine Bundesbahndampflok an: Die 95 wird in der Ausführung auf den Markt gebracht, in der sie vor fünfzig Jahren schwere Güterzüge die Spessartrampe von Laufach nach Heigenbrücken hinaufschob. Außerdem nutzte Fleischmann die Chance, die vor Jahren präsentierte 18.6 nunmehr als Edelrenner der Reichsbahn, also als 18.5, anzubieten, was doch größere Formänderungen voraussetzt. Die aufgemöbelte 94-er, auch nach 25 Jahren noch überzeugend, tritt nun endlich als DB-Epoche-III-Maschine an.

 

Auf eine der schönsten Neuheiten des Jahres wird man lange warten müssen: Liliput, die Bachmann-Europa-Tochter, kündigt die liebliche Tenderlok der Reihe 71 an, die ihr Leben vor fünfzig Jahren in der Pfalz beschloß. Das innovative Maschinchen gab es bislang nur als Bausatz von Weinert. Leider ist die Auslieferung erst für 2008 vorgesehen. Ob der seit langem annoncierte Elektro-Schnelltriebwagen ET 10 vorher auftaucht – abwarten. Im Liliput-Programm wird außerdem eine Neukonstruktion der 05 003 aufgeführt – als F-Zug-Lok der Deutschen Bundesbahn. Auch dieses Modell hat eine Konkurrentin: Trix bringt es für seine Profi-Klub-Freunde.

 

Der italienische Diktator Mussolini beendete sein Leben kopfüber – aufgehängt von Partisanen, zu Recht. Den ihm zugedachten Salonspeisewagen hat er nie genießen können. Das hielt Liliput nicht davon ab, das Gefährt im Maßstab 1:87 nachzubilden. Zu wessen Gusto auch immer. Schlimme Zeiten sind ohnehin en vogue: So läßt Preiser, eigentlich gut für kleine Lokomotivführer, 2007 das Heer Adolf Hitlers aufmarschieren, nebst allen notwendigen Tötungseinrichtungen (“Vierlingsflak”, “Granatwerfer”). Auch eine Gulaschkanone für die Szene “Essenfassen in Stalingrad” ist dabei – wohl bekomm‘s.

 

Solche Entgleisungen sind zum Glück die Ausnahme. Ins Reich des gütigen Glaubens fällt die Hauptneuheit des Uhinger Herstellers Bemo: Dort vertraut man auf wintersichere Alpen und kündigt die Gotthard-Schneeschleuder an. Im traditionellen Schmalspursektor gibt es dagegen keine Lok-Neuheiten.

Das mittlerweile selten gewordene Gefühl von Vertrauen und Wohlbehagen stellte sich schließlich am Brawa-Stand ein. Hier scheint die Welt insofern in Ordnung, als klar ist: Diese Firma konzentriert sich künftig auf Oldtimer, die kein lebender Mensch je hat fahren sehen. Diesen Weg schlug Brawa mit der bayrischen Schnellfahrlok S 2/6 ein, setzte ihn zum Jahreswechsel mit der bayrischen Güterzuglok G 4/5 fort. Man hätte trefflich spekulieren können, was heuer kommt – die langersehnte G 3/4, oder die bayrische 57? Falsch geraten. Brawa treibt den Hang zum exotischen Historismus immer weiter und stellt nun eine württembergische Ahnin auf die Gleise: die fünfachsige Klasse Hh, zu Reichsbahnzeiten Baureihe 57.4. Bereits 1935 war die letzte Maschine dieser knolligen Dampfer ausgemustert worden. Und als sei dies nicht genug, bildet Brawa auch noch eine Länderbahn-Ellok nach, die 1912 in Dienst gestellte bayrische Drehgestelllok EG 1, spätere E 73, der Reichsbahn, von der gerade zwei Exemplare existierten. Schön schaut sie aus – Brawa setzt hier nicht auf nutzorientierte Modellbahner, sondern auf formverliebte Sammler, die ebenso emotional handeln wie Käufer feinster Juwelen.

 

BR E 73, ehem. bay. EG 1

Foto: Brawa

 

Der Zubehörsektor zeigte sich diesmal noch bescheidener als in den Vorjahren. Viele prachtvolle Bäume hier und dort, bei Dr. Schroll wie bei Silhouette. Kibri, Faller und Vollmer erweitern ihr Sortiment ohne auffällige Neuheiten. Bemerkenswert das Vordringen von lasergeschnittenen Pappbausätzen. Hier beweist abermals Trix Mut – und offeriert den weitgefächerten Komplex einer Autofabrik aus den zwanziger Jahren: Gebäudeminiaturen, deren Qualität wie Konstruktionsanspruch dem ambitionierten Architekturmodellbau entsprechen. Der Katalog warnt mehr, als dass er zum Kauf verlockt. Doch die Idee ist höchsten Lobes wert.

 

Um die Straßen neben den Gleisen zu füllen, hat sich abermals Brekina verdient gemacht. Der Blick in den Neuheitenprospekt des Teninger Herstellers gerät erneut zur Reise in die Kindheit der heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen. Ab sofort schon sollten die Modelle des Opel-Olympia Rekord 1953 – der mit den Haifischzähnen – erhältlich sein; es folgt der Opel Kadett von 1962. Glücksgefühle löst auch der Fiat 1100 (1953-1969) aus; lang erwartet wurde der Autokran ADK 6.3 aus Ostdeutschland. Ach, wenn es nur von Brekina nur schon ähnliche Kräne aus dem Westen gäbe! Oder einen Fuchs-Bagger – aber für die Messe im nächsten Jahr müssen ja noch Wünsche übrigbleiben.

 

 

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kh 2.2.07

 

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