9. März 2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Setra S 6 
Omnibus mit den Fahreigenschaften eines PKW

 

1955 hatte der erste selbsttragende Kompaktbus Setra S 6 auf dem Genfer Automobilsalon Weltpremiere.  Dieser heute 54 Jahre alte Omnibustyp war nach dem „Urvater“ aller Setra - dem S 8 von 1951 und dem 1953 folgenden S 10 - der dritte Reisebustyp der ersten Setra-Baureihe 10, die von 1951 bis 1967 gebaut worden ist.
Bei der von Otto Kässbohrer im Jahr 1951 entwickelten selbsttragenden Karosserie  konnte auf ein Lkw- oder Pkw-Gestell als Basis verzichtet werden. Es gab also bei der Fahrzeugmontage nicht mehr die berühmte Hochzeit, wenn Rahmen und Aufbau verbunden wurden. Durch diese im Omnibusbau neue Konstruktionsweise wurde der Grundstein für den späteren Erfolg der Marke Setra gelegt.

 

Der S 6 war in seiner technischen Konzeption eine Ausnahmeerscheinung. Er hat im Omnibusbau zwar kein neues Marktsegment eröffnet – kleine Reisebusse gab es schon in vielfältigster Art, aber er war der Ausgangspunkt für Omnibusse, die in ihrer Auslegung einem großen Pkw gleichkamen. „Einen Omnibus mit den Fahreigenschaften eines Personenwagens zu schaffen“, das war die Zielsetzung für die Entwicklung, die schon im ersten Prospekt aus dem Jahr 1955 für diesen Omnibus manifestiert wurde. Richard Gebauer, der damalige Chefredakteur der Fachzeitung „Last-Auto und Omnibus“ schrieb im April 1955: „Der Typ S 6 gehörte mit zu den interessantesten Fahrzeugen auf dem ganzen Genfer Salon“. Und abschließend resümiert er in seinem Bericht vorausschauend: „Der S 6 wird den Omnibus als Verkehrsmittel beim Publikum wieder begehrenswerter machen.“

 

 Setra S 6 am Donauufer. Im Hintergrund das weltberühmte Wahrzeichen der Stadt Ulm.

 

Bei Setra, der Name leitet sich von dem Wort “selbsttragend” ab,  wurde mit dem S 6 die Reihe der selbsttragenden Kompaktbusse begründet. Später folgten S 7 (Bj. 1965, BR 100), S 80 (Bj. 1968, BR 100), S 208/209/210 (Bj. 1976-1991, BR 200) und S 309 HD, der erste „Kompakte“ in Hochdeckerversion (Bj. 1991-2001, BR 300). Das jeweilige Design dieser Busse entsprach immer vollauf dem Zeitgeschmack und allen Anforderungen an Fahrkomfort, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit.
Ursprünglich ließ sich aus der Zahl in der Typenbezeichnung die maximale Sitzreihenanzahl ablesen - S 6 heißt also 6 Sitzreihen. Ab der nächsten Baureihe wurde der Sitzreihenzahl die erste Zahl der Baureihe vorangestellt - S 215 heißt also Baureihe 200 mit 15 Sitzreihen.

 

Die fünf Generationen der Setra Kompaktbusse (v.l.): Der Urahn aller Kompaktbusse, der Setra S 6, ein S 80 (Baureihe 100), der S 208 aus der Baureihe 200, der erste Kompaktbus in Hochdecker-Bauweise, ein S 309 HD und der auf Anhieb im Markt erfolgreiche S 411 HD der TopClass 400.

 

Mit einer Länge von 6.700 mm und 2.250 mm Breite war der S 6  gut überschaubar.Revolutionär an diesem neuen Omnibus war zweifellos die Einzelradaufhängung mit Schwingachsen vorn und hinten. Dieses technische Prinzip des Vollschwingachsers beruhte auf zwei, vorn und hinten, mit dem Aufbau verbundenen Achsträgern, an denen je zwei Dreieckslenker befestigt waren.  Bei Auf- und Abwärtsbewegungen wird ein Gummielement zu verdrehen versucht, das diesen Bewegungen einen progressiven Widerstand entgegensetzt. Diese Kräfte bewirkten schließlich eine Abfederung, die damit erstmals einem Omnibus  komfortablere Fahreigenschaften und Fahrkomfort verlieh.
Die konsequente Umsetzung dieses neuen Wegs bei Setra wurde von einer fünf köpfigen Arbeitsgruppe unter der Leitung eines Ingenieurs, der ursprünglich aus der nach dem grauenhaften Unfall in LeMans aufgelösten Rennabteilung von Mecedes-Benz kam, umgesetzt.

 

Als wär`s ein Stück der Ulmer Altstadt: Der Setra S 6 passt heute so gut zum bauhistorischen Hintergrund des Fischerviertels mit dem renovierten Kässbohrer-Stammhaus und dem Restaurant „Zur Forelle“ wie vor 50 Jahren als die Premiere des ersten selbsttragenden Kompaktbusses in der Fachwelt Aufsehen erregte.

 

Die Gummifederung in Verbindung mit den Teleskop-Stoßdämpfern und einem neuartigen Federausgleich, die geringen unabgefederten Massen, der tiefliegende Schwerpunkt und das Verhältnis von Radstand (3 150 mm), Überhang (1 510 mm vorn und 1 850 mm hinten) und Spurweite (1 850 mm vorn und 1 700 mm hinten aufgrund der Doppelbereifung) gaben dem Fahrzeug eine absolut sichere Straßenlage. Die hydraulische Zweikreis-Innenbackenbremse mit zusätzlicher ZF-Motorbremse vollendete die hervorragende Fahrsicherheit des S 6.

 

Ausfahrt mit dem Setra S 6 Reisebus und dem Setra S 6 Linienfahrzeug zum 50 jährigen Jubiläum des Setra S 6.

 

Der Antrieb wurde wie beim Setra/Pekol-Linienbus (SP) zusammengeblockt, ohne Kardanwelle zum Hinterachsgetriebe, um die Länge des Fahrzeugs optimieren zu können. Otto Kässbohrer war persönlich mehrmals nach Kassel gereist, um beim Motorenhersteller Henschel für einen kleinen Vier-Zylinder-Motor für „seinen“ S 6 zu plädieren. Obwohl Henschel zunächst kein Interesse an der Entwicklung zeigte, fertigten die Kasseler auf Otto Kässbohrers Drängen schließlich den Vierzylinder-Dieselmotor D 517-4 K (das K stand für Kässbohrer), im Gegensatz zu dem damals bei Kleinbussen noch üblichen Benzinmotoren. Zuerst hatten die Motoren ein Leistungsvolumen von 85 PS, später dann von 90 PS bzw. aufgeladenen 100 PS. Pkw-ähnlich war schließlich auch die Lenkradschaltung. Die Außenhaut des S 6 war aus Aluminium und die Oberlichter aus Plexiglas. Die Verglasung wurde werkseigen gefertigt. Später wurde die Aluminiumbeplankung durch eine Stahlbeblechung ersetzt, die Betätigungskräfte der Bremsanlage verstärkt und die Getriebebedienung verbessert. Und schließlich erfuhr auch der Fahrerplatz mit den Bedienelementen für Heizung und Lüftung eine Weiterentwicklung.

 

Insgesamt wurden vom Setra S 6 bis zum Auslauf der Produktion im Jahr 1964 insgesamt 1.169 Einheiten – einschließlich der Sonderausführungen – gefertigt. Heute sind in Europa noch etwa 25 Fahrzeuge auf den Straßen als Omnibusse zugelassen. Das Design weckt heute noch nostalgische Erinnerungen und ist in seiner Art niemals „alt“ geworden. Zu den Kunden zählten damals vor allem Omnibusunternehmer aus den Setra Stammmärkten Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Österreich. Doch auch exotische Einsätze gab es für den S 6: So beim Sultan von Marokko, oder auf der Indiaman Tour von London nach Bombay.

 

An touristischen Zielen in ganz Europa – wie hier auf der Piazza dei Miracoli  vor dem schiefen Turm in Pisa– war der Setra S 6 anzutreffen.

 

Eine der liebenswertesten Beschreibungen seines S 6 hat ein begeisterter Amerikaner hinterlassen. Charles Patterson, so hieß er, aus Kalifornien schrieb 1977 in einer Rotarier-Zeitschrift von „Unserem Schloss für gute Reisen“ (our castle for good traveling) über seinen S 6-L. Bei diesem Fahrzeug handelte es sich um einen von zwei Prototypen, die ca. 7.800 mm lang und mit einem 125 PS starken Sechszylindermotor ausgestattet waren. Patterson ließ dieses Fahrzeug 1977 in Ulm als „home mobile“ umbauen. Damals konnte der Typ Setra S 6 bereits auf eine 22-jährige Geschichte zurückblicken, da er bereits schon zehn Jahre zuvor vom S 7 abgelöst worden war.  Die Begeisterung für diesen Omnibus hielt aber bei vielen Oldtimer-Liebhabern ganz offensichtlich an.

 

Weitere wegweisende Busse aus dem Setra-Programm:

 

Liebevoll restaurierter Setra S 8, der Urvater aller Setra, an den Hamburger Landungsbrücken im Jahr  2007                                                                                                                    Foto: jwp/pixxpixx

 

 Heckansicht Setra S 8                                                                                        Foto: jwp/pixxpixx

 

 Der Setra S 10 "Der liebe Augustin", Baujahr 1955

 

1965 stellte Setra seine erste Baureihe, die „Baureihe 10“ vor. Hier der Setra S 12, einer von 6 verschiedenen Typen der Baureihe 10.                                                                                                    

 

 Setra S 13, einer von 6 verschiedenen Typen der Baureihe 10.

 

Heute wird diese 50-jährige Tradition der Kompaktreisebusse vom Setra S 411 HD förmlich gekrönt, denn dieser in vielen europäischen Ländern gefragte Vertreter der Baureihe TopClass 400 konnte seit dem Jahr 2001 sehr gut abgesetzt werden.

 

  Die 3-achsigen Setra Superhochdecker sind noch höher sind als gewöhnliche Hochdecker.

 

100 Jahre Otto Kässbohrer Edition: Der Setra S 415 HDH als Sonder Edition zum 100. Geburtstag von Otto Kässbohrer, geboren am 26.Januar 1903,  mit dem ersten Setra S 8 (1951) in selbsttragender Bauweise

 

Besucher der Daimler-Teststrecke in Untertürkheim werden in einem Setra S 411 HD befördert. Der 10,16 m lange Reisebus kann aufgrund seiner kompakten Abmessungen mit kurzen Überhängen sogar durch die Steilwandkurve fahren. Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h wirkt in dieser Kurve das Doppelte des eigenen Körpergewichts auf den Fahrgast - ein ganz besonderes Gefühl. Angetrieben wird das Fahrzeug von einem V6-Zylinder-Motor OM 501 LA mit 300 kW (408 PS)

 

Die hohe Akzeptanz des S 411 HD – des großartigen Kleinen der Premium-Klasse mit 10.100 mm Länge und 37 Sitzplätzen (3-Sterne-Version) – in den wichtigsten europäischen Märkten als idealer Bus für kleinere Reisegruppen und sinnvolle Ergänzung eines Fuhrparks mit langen und überlangen Bussen, hat ihre Wurzeln auch im Setra S 6. Er stellt für die Ulmer Omnibusbauer von Setra den Anfang einer beispielhaften Kompetenz für die Konstruktion und den Bau von Kompaktomnibussen dar. Damit ist die Traditionsmarke nunmehr seit 50 Jahren im Segment der hochwertigen Omnibusse für anspruchsvolle, kleinere Reisegruppen vertreten. Heute gehört Setra zu EvoBus, einer hundertprozentigen Tochter des Daimler-Konzerns.

 

Den S 411 HD gibt es auch im Modell: Mit dem Kauf des Modellbusses im Sammlermaßstab 1:87 kann jeder das Kinderhilfswerk Star Care unterstützen. Vom Verkaufspreis gehen fünf Euro an den Star Care e. V. Stuttgart. Erhältlich ist das Modell im SETRA-Online-Shop unter www.setra.de zum Preis von 19 Euro.

 

 

 

ps  9. März 2009

 

© reflektion.info / Fotos, wenn nicht anders erwähnt:  ©2009 Daimler AG.
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